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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Argentinien. Es ist doch etwas anderes, irgendwo hinzukommen, wo man die Sprache schon kann.»
    «Hatten Sie eine gute Reise?», fragte Eichmann. Wenn ihn unser Wiedersehen nervös machte, ließ er es sich nicht anmerken. «Wo sind Sie hergekommen?»
    «Wien», sagte ich. Und setzte dann achselzuckend hinzu: «Die Reise war erträglich. Kennen Sie Wien, Herr Klement?» Ich bot ihnen von meinen Zigaretten an.
    «Nein, so gut wie gar nicht», sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. Er war richtig gut, das musste ich ihm lassen. «Österreich kenne ich überhaupt nicht. Ich bin aus Breslau.» Er nahm eine von meinen Zigaretten und ließ sich von mir Feuer geben. «Jetzt nennen es die Polen ja Wrozlaw oder so ähnlich. Kann man sich so was vorstellen? Stammen Sie aus Wien, Herr –?»
    «Dr.   Hausner», sagte ich.
    «Arzt, hm?» Eichmann lächelte. An seinen Zähnen hatte sich nichts gebessert, bemerkte ich. Zweifellos amüsierte es ihn, genau zu wissen, dass ich kein Arzt war. «Es wird sicher interessant sein, einen Mediziner hier zu haben, meinen Sie nicht, Geller?»
    «Doch, sicher», sagte Geller, der ebenfalls eine von meinen Luckys rauchte. «Ich wollte immer Arzt werden. Vor dem Krieg, meine ich.» Er lächelte traurig. «Daraus wird wohl nichts mehr.»
    «Sie sind doch noch jung», sagte ich. «Wenn man jung ist, ist alles möglich. Glauben Sie mir. Ich war selbst mal jung.»
    Aber Eichmann schüttelte den Kopf. «Das galt vor dem Krieg», sagte er. «In Deutschland war alles möglich. Ja. Wir haben es der Welt bewiesen. Aber das war einmal. Ich fürchte, es gilt nicht mehr. Jetzt, wo halb Deutschland von gottlosen Barbaren beherrscht wird, nicht wahr, Pater? Soll ich Ihnen sagen, was diese Bundesrepublik Deutschland wirklich ist? Wir sind nur ein Splittergraben an der Front eines neuen Krieges. Eines Krieges, den –»
    Eichmann unterbrach sich. Und lächelte dann. Das alte Eichmann-Lächeln, als ob ihm mein Schlips missfiele.
    «Aber was rede ich? Das betrifft uns ja nicht. Nicht mehr. Das Heute ist ohne Bedeutung. Für uns existiert das Heute so wenig wie das Gestern. Für uns gibt es nur das Morgen. Das Morgen ist alles, was wir noch haben.»

39
    Das Bier war exzellent. Es war ein sogenanntes Trappistenbier, nach strengen Bestimmungen und ausschließlich von Mönchen gebraut. Das Bier, das diese Benediktiner herstellten, hieß «Armer Schlucker» und war kupferfarben, mit einer Blume wie Eiskrem. Es schmeckte süß, fast schon schokoladig, und war so stark, wie man es ihm von Geschmack und Erzeugungsstätte her nie zugetraut hätte. Und man konnte es sich viel eher als Lieblingsgetränk amerikanischer Soldaten vorstellen denn als Hausgetränk enthaltsamer und gottesfürchtiger Mönche. Außerdem hatte ich schon mal amerikanisches Bier gekostet. Nur in einem Land, wo mal Prohibition geherrscht hatte, konnte ein Bier produziert werden, das schmeckte wie leicht alkoholisiertes Mineralwasser. Und nur in einem Land wie Deutschland konnte ein Bier produziert werden, das stark genug war, dass ein Mönch den Zorn der katholischen Kirche auf sich zog, weil er fünfundneunzig Thesen an eine Kirchentür zu Wittenberg nagelte. Zumindest hatte mir das Pater Bandolini erklärt. Was ein Grund war, warum er lieber Wein trank.
    «Wenn Sie mich fragen, ist an dieser ganzen Reformation das starke Bier schuld», postulierte er. «Wein ist das ideale Getränk für Katholiken. Er macht die Leute schläfrig und mit allem einverstanden. Bier macht sie nur streitsüchtig. Und schauen Sie sich doch die Länder an, wo viel Bier getrunken wird. Die sind doch überwiegend protestantisch. Und die Länder, wo man Wein trinkt? Alle katholisch.»
    «Was ist mit den Russen?», fragte ich. «Die trinken Wodka.»
    «Das ist ein Getränk, um Vergessen zu finden», sagte Pater Bandolini. «Das hat gar nichts mit Gott zu tun.»
    Aber das war alles längst nicht so interessant wie das, was er dann sagte. Dass nämlich der Bierwagen des Klosters an diesem Vormittag nach Garmisch-Partenkirchen fahren würde. Und dass ich herzlich eingeladen sei mitzufahren.
    Ich holte meinen Mantel und meine Pistole, ließ aber die Tasche mit dem Geld in meinem Zimmer. Es hätte komisch ausgesehen, wenn ich sie mitgenommen hätte. Außerdem konnte ich die Zimmertür abschließen. Und ich musste ja sowieso zurückkommen, um meinen neuen Pass in Empfang zu nehmen. Dann folgte ich dem Pater zur Brauerei, wo der Lastwagen bereits mit Bierkästen beladen wurde.
    Der

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