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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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LKW, ein alter Zweizylinder-Framo, war mit zwei Mönchen bemannt. Beide waren lebendige Aushängeschilder für die kräftigenden, die Mannhaftigkeit fördernden Qualitäten des Biers. Pater Stoiber, bärtig und offensichtlich recht trinkfreudig, hatte einen Bauch, so mächtig wie ein Mühlstein. Pater Seehofer war so dick und stabil wie ein Eichenfass. Wir passten zu dritt in das Führerhaus, aber nur, wenn wir ausatmeten. Als wir schließlich in Garmisch-Partenkirchen ankamen, fühlte ich mich so dünn wie die Wurst in der Klappstulle eines sächsischen Pfarrers. Aber die Enge war nicht das einzige Problem. Der 490-Kubik-Motor des Framo hatte nur fünfzehn PS, und mit meinem zusätzlichen Gewicht an Bord hatte er auf den vereisten Gebirgsstraßen manchmal ganz schön zu kämpfen. Es war nur gut, dass Stoiber, der einen Winter in der Ukraine mitgemacht hatte, ausgezeichnet fuhr.
    Wir kamen nicht von Norden über den Sonnenbichl in den Ort hinein, sondern von Südwesten, über die Griesenerstraße im kalten Schatten der Zugspitze, direkt in den Teil Partenkirchens, wo die meisten Amerikaner stationiert waren. Die beiden Mönche erklärten mir, sie hätten das Eibsee-Hotel, das Crystal Springs Hotel, den Offiziersclub, das Patton Hotel und die Green Arrow Ski Lodge zu beliefern. Sie setzten mich an der Kreuzung Zugspitz- und Bahnhofsstraße ab und wirkten erleichtert, als ich sagte, ich würde selbst zusehen, wie ich wieder ins Kloster zurückkäme.
    Ich fand die Straße mit den alten, oberbayrischen Villen, wo Grün und Henkell unlängst ihre Experimente durchgeführt hatten. Die Nummer wusste ich nicht mehr, aber das Haus mit dem olympischen Skiläufer an der Wand war nicht schwer zu finden. In der Ferne hörte ich die Schüsse vom Tontaubenschießplatz, genau wie beim letzten Mal. Der einzige Unterschied war, dass jetzt viel mehr Schnee lag. Er türmte sich wie dicker Zuckerguss auf den Dächern und um die Außenwände der zu groß geratenen Pfefferkuchenhäuschen. Jacobs’ Buick Roadmaster war nicht zu sehen, nur ein Häufchen Pferdeäpfel lag dort, wo er geparkt hatte. Ich hatte etliche Pferdeschlitten in der Stadt gesehen und baute darauf, einen zu finden, der mich zum Haus Mönch hinaufbringen würde, wenn ich mich in der Villa umgesehen hatte.
    Ich wusste nicht genau, was ich zu finden hoffte. Aus meinem letzten Telefonat mit Grün war kaum zu schließen gewesen, ob er und die anderen sich inzwischen abgesetzt hatten. Aber es sprach manches dagegen, da sie wohl nicht damit gerechnet hatten, dass mir die Flucht aus Wien so schnell glücken würde. Wien war eine geschlossene Stadt, aus der nicht leicht hinauszukommen war, da hatte Grün ganz recht gehabt. Trotzdem war ihm bestimmt bewusst, dass das Geld, das er mir als Entschädigung hatte zukommen lassen, meine Rückkehr nach Garmisch immerhin in den Bereich des Möglichen rückte. Und wenn sie noch hier waren, hatten sie garantiert ein paar Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Ich umfasste die Pistole in meiner Tasche und ging hinters Haus, um durchs Laborfenster zu schauen. Bei dem kniehohen Schnee dort im Garten war es nur gut, dass ich mir in Wien Stiefel und Gamaschen gekauft hatte. Beim Haus Mönch würde noch mehr Schnee liegen.
    Nirgends in der Villa brannte Licht. Und im Labor war niemand. Ich presste die Nase an die Fensterscheibe, um durch die Glastür ins dahinterliegende Büro sehen zu können. Auch dort war keiner. Ich nahm ein handliches Aststück von einem Brennholzstapel unterm Balkon und sah mich nach einem Fenster um, das ich einschlagen konnte. Die Schneehaufen hinter mir dämpften das Klirren sehr wirksam. Der beste Freund des Einbrechers ist hoher Schnee. Ich brach vorsichtig ein paar spitze Scherben heraus, die im Rahmen stecken geblieben waren, langte dann hinein, entriegelte und öffnete das Fenster und kletterte hindurch. Unter meinen Füßen knirschte Glas, als ich vom Fensterbrett sprang. Alles sah genau aus wie damals, jeder Gegenstand war am selben Platz. Es war heiß, und alles war still. Außer den Moskitos natürlich. Die gerieten in Aufruhr, als ich die flache Hand ans Glas ihrer Wohnstätte legte, um die Temperatur zu prüfen. Sie fühlte sich gerade richtig an, sprich, noch wärmer als die Raumluft, was etwas heißen wollte. Den Tierchen ging es prächtig. Aber dem konnte ich abhelfen. Ich griff hinter die einzelnen Glaskästen und schaltete die Heizvorrichtungen aus, die die tödlichen, kleinen Biester am Leben hielt. Die

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