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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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gegangen. Sie hatten ihr die Testvakzine Sporovax IV verabreicht, aber es hatte nicht gewirkt. So wenig wie bei den anderen. Und darum war Kirsten gestorben. So leicht getan und so leicht erklärt. Malaria ließ sich ebenso gut für Grippe ausgeben wie für virale Meningitis, zumal in Deutschland und noch dazu in einem Krankenhaus, wo kaum Laboreinrichtungen zur Verfügung standen. Meine Frau war ermordet worden. Mein Magen implodierte. Diese Schweine hatten meine Frau so kaltblütig umgebracht, als ob sie ihr eine Pistole an die Schläfe gesetzt und das Gehirn weggepustet hätten.
    Ich sah noch einmal in ihre Akte. Da sie bei der Klinikaufnahme irrtümlich als ledig registriert und fälschlich als geistesschwach diagnostiziert worden war, war man davon ausgegangen, dass niemand sie vermissen würde. Mein Name war nirgends erwähnt. Da stand nur, dass sie ins städtische Krankenhaus verlegt worden und dort der Krankheit «erlegen» sei. Erlegen. Das klang, als ob sie einfach nur an Müdigkeit gelitten und sich hingelegt hätte. Und nicht, als ob sie gestorben wäre. Als würden diese Leute den Unterschied ebenso wenig kennen, wie sie wussten, dass ich der Ehemann dieser armen Frau war. Denn sonst hätten sie doch wohl meinen Namen irgendwo in ihrer verdammten Akte verzeichnet.
    Ich schloss die Augen. Keine Läuse oder Flöhe. Moskitostiche . Und das Insekt, das mich bei einem meiner Besuche im Max-Planck gestochen hatte? Ein entfleuchter Moskito? Vielleicht erklärte das ja die Lungenentzündung, die ich bekommen hatte, nachdem ich Jacobs’ Freunden von der ODESSA in die Hände gefallen war. Vielleicht war es ja gar keine Lungenentzündung gewesen, sondern eine vergleichsweise milde Form von Malaria. Henkell hätte das nicht gemerkt. Er hatte nicht die geringste Veranlassung gehabt, hinter meinem Fieber einen, wie sie es nannten, «entomologischen Vektor» zu vermuten, so wenig, wie er darauf hätte kommen können, dass Kirsten Handlöser meine Frau gewesen war. Nicht unter diesen Umständen. Was wohl mein Glück gewesen war. Sonst hätten sie mir womöglich Sporovax verabreicht.
    Durch meine Entdeckung erschien jetzt alles in einem völlig anderen Licht. Die Polizei einzuschalten, schien jetzt zu unsicher. Ich musste mir ganz sicher sein können, dass diese Leute für ihre Verbrechen angemessen bestraft wurden. Und dafür musste ich sie selbst bestrafen. Plötzlich fiel es mir viel leichter, diese jüdischen Rachekommandos zu verstehen. Die Nakam. Was waren schon ein paar Jahre Gefängnis als Strafe für Leute, die derart abscheuliche Verbrechen begangen hatten? Leute wie Franz Six vom Judenreferat des SD. Der Mann, der mich damals, ’37, nach Palästina geschickt hatte. Israel, wie es jetzt hieß. Ich hatte keine Ahnung, was aus Paul Begelmann geworden war, dem Juden, dessen Geld Six hatte einsacken wollen. Aber Six hatte ich nochmal wiedergesehen, in Smolensk, als Führer einer Einsatzgruppe, die siebzehntausend Menschen ermordete. Und dafür hatte er gerade mal zwanzig Jahre bekommen. Wenn es nach der neuen Bundesregierung ging, würde er auf Bewährung herauskommen, ehe er auch nur ein Viertel dieser Strafe abgesessen hatte. Fünf Jahre für die Ermordung von siebzehntausend Juden. Kein Wunder, dass sich die Israelis verpflichtet fühlten, diese Leute umzubringen.
    Als ich ein Klicken über mir hörte, riss ich die Augen auf, erkannte aber viel zu spät, dass es der Hahn einer kurzläufigen Achtunddreißiger Smith & Wesson war, der mit dem Daumen gespannt wurde. Es war die hübsche Achtunddreißiger J-Frame mit den Gummigriffschalen, die ich im Handschuhfach von Jacobs’ Buick hatte liegen sehen. Nur dass er sie jetzt in der Hand hielt. Eine Pistole vergesse ich nie. Schon gar nicht, wenn sie auf meinen Kopf gerichtet ist.
    «Zurücklehnen», sagte er ruhig. «Hände hintern Kopf. Schön langsam. Diese Achtunddreißiger hat einen sehr geringen Abzugswiderstand und könnte leicht losgehen, wenn eine Ihrer Hände sich der Mauser auch nur auf einen Meter nähert. Ich habe Ihre Spuren draußen im Schnee gesehen. Wie beim guten König Wenzeslaus. Sie hätten besser aufpassen sollen.»
    Ich lehnte mich zurück, nahm die Hände hinter den Kopf und starrte in die schwarze Mündung des Fünf-Zentimeter-Laufs, der immer näher kam. Wir wussten beide, dass ich ein toter Mann war, wenn er abdrückte. Eine Achtunddreißiger reißt ein ganz schönes Lüftungsloch in einen menschlichen Schädel.
    «Wenn ich mehr Zeit

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