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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Prophet Gottes war. Deshalb sichert einem Moslem die Tötung eines Juden den sofortigen Eingang in den Himmel und in die erhabene Gegenwart des allmächtigen Gottes. Meine Botschaft für den Führer ist folgende: Juden sind nicht nur die erbittertsten Feinde der Moslems, sie sind auch ein verderbliches Element in der Welt. Dies aufzudecken, war die größte Erkenntnis, die der Führer der Welt beschert hat. Nach dieser Erkenntnis zu handeln, wird in meinen Augen das größte Vermächtnis des Führers an die Welt sein. Entschieden danach zu handeln. Denn es ist keine Lösung der Judenfrage in Deutschland und Europa, immer weiter Juden nach Palästina zu exportieren. Es muss eine andere Lösung gefunden werden, meine Herren. Die endgültige Lösung. Dies ist die Botschaft, die Sie Ihren Vorgesetzten überbringen müssen. Dass der beste Weg, mit dem Judenproblem fertig zu werden, darin besteht, die Quelle in Europa trockenzulegen. Und ich leiste dem Führer dieses feierliche Gelöbnis. Ich werde ihm helfen, das britische Empire zu vernichten, wenn er verspricht, die gesamte jüdische Bevölkerung Palästinas zu liquidieren. Alle Juden, überall, müssen getötet werden.»
    Selbst Eichmann schien ein bisschen schockiert von der Rede des Großmuftis. Hagen, dem Protokollanten, blieb ob der eiskalten Schlichtheit dieses Vorschlags der Mund offen stehen. Auch Reichert war verblüfft. Dennoch waren sie so gefasst, dass sie dem Mufti versprechen konnten, seine Gedanken wortwörtlich ihren Vorgesetzten in Berlin zu übermitteln. Danach schloss Eichmann die Unterredung, indem er dem Mufti versicherte, jetzt, da sie sich getroffen hätten, würden sie es sicher bald wieder tun. Zu wirklich wichtigen Vereinbarungen war es nicht gekommen, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass die Worte des Muftis auf die beiden SD-Leute nachhaltigen Eindruck gemacht hatten.
    Als das Treffen beendet war und der Großmufti mit seinem Gefolge Eichmanns Suite verlassen hatte – wobei sein arabischer Dolmetscher noch einen Scherz darüber machte, dass die Briten Hadsch Amin immer noch irgendwo in den heiligen Stätten von Jerusalem eingeschlossen wähnten (wo sie natürlich nicht gewaltsam einzudringen und nach ihm zu suchen wagten) –, sahen wir vier uns an, zündeten uns Zigaretten an und schüttelten, immer noch völlig verdattert, die Köpfe.
    «So was Verrücktes habe ich noch nie gehört», sagte ich, während ich ans Fenster wanderte und auf die Straße hinabschaute, wo Hadsch Amin und seine Männer in einen unscheinbaren Kombi mit gepanzerten Seitenwänden stiegen. «Absoluter Irrsinn. Der Kerl ist ein kompletter Spinner.»
    «Ja», stimmte mir Hagen zu. «Und doch wohnt seinem Irrsinn eine gewisse kalte Logik inne, finden Sie nicht?»
    «Logik?» wiederholte ich einigermaßen ungläubig. «Was meinen Sie mit ‹Logik›?»
    «Ich muss Gunther recht geben», sagte Reichert. «Für mich klang das alles auch vollkommen verrückt. Wie aus Kreuzzugszeiten. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin kein Judenfreund, aber ich bitte Sie, man kann doch nicht einfach eine ganze Menschenrasse liquidieren.»
    «Stalin hat in Russland eine ganze Menschen klasse liquidiert», sagte Hagen. «Zwei oder drei sogar, wenn man’s genau nimmt. Ebenso gut wie die Bauern, die Kulaken und die Bourgeoisie hätte er sich die Juden ausgucken können. Und sie stattdessen liquidieren. Er hat die letzten fünf Jahre damit verbracht, die Ukrainer auszuhungern. Es ist doch nicht gesagt, dass man die Juden nicht ebenso aushungern könnte. Natürlich wirft so etwas enorme praktische Probleme auf. Und letztlich bleibe ich bei meiner Meinung. Wir sollten versuchen, sie nach Palästina zu schicken. Was dort mit ihnen passiert, ist ja wohl nicht unsere Sorge.»
    Hagen trat ebenfalls ans Fenster.
    «Obwohl ich durchaus finde, dass die Errichtung eines unabhängigen Judenstaates in Palästina um jeden Preis verhindert werden muss. Das ist mir in den letzten Tagen immer klarer geworden. Ein solcher Staat wäre in der Lage, diplomatisch gegen die deutsche Regierung zu lobbyieren und die Vereinigten Staaten zu einem Krieg gegen Deutschland anzustiften. Davor muss man sich schützen.»
    «Aber Sie haben doch wohl nicht Ihre Meinung über den faktischen Zionismus geändert», sagte Eichmann. «Ich meine, es ist doch klar, dass wir die Bagage irgendwohin schicken müssen. Madagaskar ist Unsinn. Da gehen sie niemals hin. Nein, entweder hierher oder – das, wovon Hadsch

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