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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Amin gesprochen hat. Und ich kann mir nicht denken, dass irgendjemand vom SD für diese Lösung wäre. Das ist einfach zu abwegig. Wie aus einem Fritz-Lang-Film.»
    Reichert nahm den Brief des Muftis in die Hand. Auf dem Umschlag standen zwei Wörter: Adolf Hitler. «Glauben Sie, in seinem Brief steht auch so was?», fragte er.
    «Daran besteht wohl kein Zweifel», sagte ich. «Die Frage ist, was wollen Sie damit machen?»
    «Es ist völlig undenkbar, diesen Brief nicht unseren Vorgesetzten zu übergeben.» Schon die bloße Vorstellung, den Mufti-Brief verschwinden zu lassen, schien Hagen zu schockieren – mehr als alles, was der Großmufti gesagt hatte. «Das ginge ganz und gar nicht. Hier handelt es sich um diplomatische Korrespondenz.»
    «Für mich klang es nicht allzu diplomatisch», sagte ich.
    «Mag sein. Dennoch, dieser Brief muss nach Berlin. Das ist Teil unseres Auftrages, Gunther. Wir müssen doch irgendetwas vorweisen können. Zumal jetzt, wo wir wissen, dass uns die Gestapo im Auge hat. Man kann vielleicht eine Spesenabrechnung frisieren. Aber es sieht nicht so gut aus, für nichts und wieder nichts hierhergefahren zu sein. Da würden wir vor Gruppenführer Heydrich ganz schön dumm dastehen. Das wäre unserer SD-Karriere gar nicht förderlich.»
    «Stimmt, das hatte ich nicht bedacht», sagte Eichmann, dessen Karrierebewusstsein nicht minder entwickelt war als Hagens.
    «Heydrich ist vielleicht ein Aas», sagte ich. «Aber er ist ein cleveres Aas. Zu clever, um nicht zu kapieren, dass der Mufti ein kompletter Spinner ist.»
    «Schon möglich», sagte Eichmann. «Aber zum Glück ist der Brief nicht an Heydrich adressiert, nicht wahr? Zum Glück ist er ja an den Führer. Der wird schon wissen, wie er darauf reagieren –»
    «Von Spinner zu Spinner», sagte ich. «Ist es das, was Sie sagen wollen, Eichmann?»
    Eichmann blieb vor Entsetzen fast die Luft weg. «Keine Sekunde», stieß er hervor. «Es würde mir nicht im Traum –» Rot bis an die Haarwurzeln, sah er verlegen zu Hagen und Reichert hinüber. «Meine Herren, bitte glauben Sie mir. Das habe ich ganz und gar nicht gemeint. Ich hege größte Bewunderung für den Führer.»
    «Natürlich doch, Eichmann», sagte ich.
    Schließlich sah Eichmann mich an. «Sie sagen doch Flesch nichts davon, Gunther? Bitte, sagen Sie, dass Sie der Gestapo nichts erzählen.»
    «Fiele mir nicht im Traum ein. Hören Sie, vergessen Sie die Sache. Wie werden Sie sich jetzt Feivel Polkes gegenüber verhalten? Und der Haganah?»
     
    Eliahu Golomb kam ebenfalls nach Kairo, um Polkes zu dem Treffen mit Eichmann und Hagen zu begleiten. Er schaffte es gerade noch, ehe die Briten nach einer Serie arabischer und jüdischer Bombenattentate in Palästina die Grenzen dichtmachten. Vor dem Treffen suchte ich Golomb und Polkes in ihrem Hotel auf und erzählte ihnen, was bei dem Gespräch mit Hadsch Amin besprochen worden war. Golomb beschwor erst einmal alle Plagen des Himmels auf das Haupt des Muftis herab. Dann wollte er meinen Rat, wie sie mit Eichmann und Hagen umgehen sollten.
    «Meiner Meinung nach sollten Sie die beiden davon überzeugen, dass in einem Bürgerkrieg mit den Arabern die Haganah in jedem Fall siegen wird», sagte ich. «Die Deutschen bewundern Stärke. Und sie mögen Sieger. Nur die Briten haben etwas für Underdogs übrig.»
    «Wir werden siegen», erklärte Golomb.
    «Aber das wissen die nicht», sagte ich. «In meinen Augen wäre es ein Fehler, um militärische Unterstützung zu bitten. Das würde als ein Zeichen von Schwäche verstanden. Sie sollten ihnen eher weismachen, dass Sie besser gerüstet sind, als es tatsächlich der Fall ist. Sagen Sie ihnen, Sie hätten Geschütze. Sagen Sie ihnen, Sie hätten Panzer. Sagen Sie ihnen, Sie hätten Flugzeuge. Die haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob es stimmt oder nicht.»
    «Wie soll uns das helfen?»
    «Wenn die Nazis glauben, dass Sie siegen werden», sagte ich, «werden sie es für die richtige Politik halten, den Zionismus weiterhin zu unterstützen. Wenn sie aber glauben, dass Sie ohnehin verlieren, dann ist, offen gestanden, nicht mehr absehbar, wohin sie die deutschen Juden schicken werden. Ich habe gehört, dass Madagaskar im Gespräch ist.»
    «Madagaskar?», sagte Golomb. «Lächerlich.»
    «Hören Sie, wichtig ist für Sie doch nur, sie davon zu überzeugen, dass ein jüdischer Staat für Deutschland keine Bedrohung darstellen würde. Sie wollen doch nicht, dass sie in der Überzeugung nach

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