Das Janusprojekt
wusste, dass es doch nur widerspenstig und unbeugsam herauskommen würde. «Aber trotzdem vielen Dank. Ich weiß Ihre Hilfe und Ihren Rat zu schätzen. Ein wenig geistliche Orientierungshilfe kann jeder brauchen. Selbst Ungläubige wie ich.»
«Es wäre ein Fehler, mir nicht zu glauben», sagte er kalt.
«Ich weiß nicht, was ich glaube, Pater», sagte ich absichtlich naiv. «Wirklich nicht. Ich weiß nur, dass das Leben besser ist als alles, was ich vorher gekannt habe. Und wahrscheinlich auch besser als alles, was ich kennenlernen werde, wenn ich tot bin.»
«Das klingt nach Atheismus, Gunther. Immer gefährlich in Deutschland.»
«Das ist kein Atheismus, Pater. Wir nennen das Weltanschauung.»
«Überlassen Sie dergleichen Gott. Vergessen Sie die Welt und kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, wenn Sie wissen, was gut für Sie ist.»
Ich sah ihm nach, bis er den Rand des Parks erreicht hatte. Das Eichhörnchen kam zurück. Die Blumen entspannten sich. Die Taube schüttelte den Kopf und versuchte, sich zu fassen. Die Wolke verzog sich, und das Gras wurde wieder heller. «Das war nicht der heilige Franziskus», erklärte ich ihnen allen. «Aber das habt ihr vermutlich selbst schon gemerkt.»
15
Ich ging wieder ins Büro und rief unter der Nummer an, die mir Frau Warzok hinterlassen hatte. Eine tiefe, knurrige, entfernt weibliche Stimme, unwesentlich offener und freundlicher als das Spandauer Kriegsverbrechergefängnis, meldete sich und erklärte, Frau Warzok sei nicht zu Hause. Ich hinterließ meinen Namen und meine Telefonnummer. Die Stimme wiederholte beides fehlerlos. Ich fragte, ob ich mit dem Dienstmädchen spräche. Die Stimme bejahte. Ich legte auf und versuchte, mir dieses Dienstmädchen vorzustellen, aber ich hatte immer Wallace Beery in einem schwarzen Kleid vor Augen, in der einen Hand einen Staubwedel und in der anderen einen Männernacken.
Eine Stunde kroch dahin wie das entsprechende Quantum Verkehr draußen unter meinem Bürofenster. Etliche Pkws. Ein paar Lastwagen. Ein Motorrad der amerikanischen Militärpolizei. Leute betraten und verließen das Postamt gegenüber. Dort drinnen ging auch nichts schnell. Jeder, der einmal in München auf einen Brief gewartet hatte, konnte ein Lied davon singen. Der Taxifahrer am Taxistand vor dem Haus langweilte sich noch mehr als ich, aber er konnte es wenigstens wagen, zum Kiosk zu gehen, um sich Zigaretten und eine Abendzeitung zu holen. Ich wusste, wenn ich das täte, würde ich ihren Anruf verpassen. Schließlich beschloss ich, das Telefon zum Klingeln zu zwingen. Ich zog meine Jacke an, ging aus der Tür, ließ sie offen und steuerte die Toilette an. Vor der Toilettentür blieb ich ein paar Sekunden stehen und stellte mir nur vor, was ich dort drinnen getan hätte. Und prompt klingelte das Telefon. Das ist ein alter Detektivtrick, aber aus irgendeinem Grund sieht man ihn in den Filmen nie.
Sie war dran. Nach dem Dienstmädchen klang sie wie ein Chorknabe. Ihr Atem ging schnell, als ob sie gerannt wäre.
«Sind Sie gerade die Treppe heraufgekommen?», fragte ich.
«Ich bin ein bisschen nervös, das ist alles. Haben Sie etwas herausgefunden?»
«Eine ganze Menge. Möchten Sie herkommen? Oder soll ich bei Ihnen vorbeischauen?» Ich hatte ihre Visitenkarte in der Hand. Ich führte sie an meine Nase. Sie duftete schwach nach Lavendelwasser.
«Nein», sagte sie entschieden. «Lieber nicht, wenn Sie entschuldigen. Wir haben hier die Handwerker. Im Moment ist es ein bisschen schwierig. Die Möbel sind alle abgedeckt. Nein, treffen wir uns doch im Waltherspiel, im Hotel Vier Jahreszeiten.»
«Sind Sie sicher, dass die dort D-Mark nehmen?», fragte ich.
«Nein, das tun sie nicht», sagte sie. «Aber ich zahle, also braucht das nicht Ihre Sorge zu sein, Herr Gunther. Ich bin gern dort. Es ist der einzige Ort in München, wo sie anständige Cocktails mixen. Und ich habe das Gefühl, ich werde einen ordentlichen Drink brauchen, egal, was Sie mir zu erzählen haben. Sagen wir in einer Stunde?»
«Ich werde dort sein.»
Ich legte auf und wunderte mich ein bisschen über die Nachdrücklichkeit, mit der sie mir verboten hatte, zu ihr nach Ramersdorf zu kommen. Ich hegte die leise Befürchtung, dass es dafür noch einen anderen Grund geben könnte, der nicht unbedingt mit dem Zustand meiner Fingernägel zu tun hatte. Vielleicht enthielt sie mir irgendetwas vor. Ich beschloss, mir gleich nach unserem Treffen ihre Adresse in der Bad Schachener
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