Das Janusprojekt
weiß, kann man damit umgehen. Damit fertig werden. Die richtige Medizin dagegen einsetzen.»
Stuber schwadronierte drauflos, von irgendeiner Freundin, die ihn schlecht behandelt hatte, und ich blendete ihn für eine Weile aus. Ich dachte über Britta Warzok nach.
Ein kleiner Teil meines Gehirns wünschte, sie sei vielleicht doch eine bessere Katholikin, als ich ihr zugetraut hatte. In diesem Fall konnte ihr Treffen mit Pater Gotovina doch einfach nur Zufall gewesen sein. Vielleicht hatte sie ja wirklich gebeichtet und war überhaupt die ganze Zeit ehrlich gewesen. Ich hörte diesem Teil meines Gehirns ein, zwei Minuten zu und stopfte ihm dann das Maul. Schließlich war das der Teil von mir, der immer noch an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen glaubte. Dank Adolf Hitler wussten wir ja alle, was dabei herauskam.
22
Tage gingen ins Land. Ich fühlte mich etwas besser. Das Wochenende kam, und Dr. Henkell erklärte mich für reisefähig. Er fuhr einen ziemlich neuen, kastanienbraunen Mercedes, den er persönlich im Werk in Sindelfingen abgeholt hatte und auf den er mächtig stolz war. Er ließ mich hinten sitzen, damit ich es auf der knapp hundertfünfzig Kilometer langen Strecke nach Garmisch-Partenkirchen bequem hatte. Wir verließen München über die A2 und passierten Starnberg, wo ich Henkell von dem gleichnamigen Baron und dessen sagenhaftem Haus erzählte und auch den Maybach Zeppelin erwähnte, den er zum Einkaufen benutzte. Und da Henkell ein Autonarr war, erzählte ich ihm auch gleich noch von der Tochter des Barons, Helene Elisabeth, und ihrem Porsche 356.
«Das ist ein hübscher Wagen», sagte er. «Aber ich halte es mit Mercedes.» Und er erzählte mir von ein paar anderen Autos, die er in seiner Garage in Ramersdorf stehen hatte. Dazu gehörte jetzt auch mein Hansa, den Henkell netterweise von dort geholt hatte, wo ich ihn in der schicksalhaften Nacht hatte stehen lassen.
«Autos sind so etwas wie ein Hobby von mir», gestand er, während wir weiter nach Traubing und von dort in die Voralpen fuhren. «Und Bergsteigen. Ich habe alle großen Gipfel in den Ammergauer Alpen bestiegen.»
«Auch die Zugspitze?» Die Zugspitze war für die meisten Leute die Hauptattraktion an Garmisch-Partenkirchen.
«Die hat mit Bergsteigen nichts zu tun», sagte er. «Das ist ein Spaziergang. In ein paar Wochen werden Sie da selbst raufspazieren.» Er schüttelte den Kopf. «Aber mein eigentliches Interesse gilt der Tropenmedizin. In Partenkirchen gibt es ein kleines Labor, das mich die Amis benutzen lassen. Ich bin ganz gut mit einem der höheren Offiziere befreundet. Er kommt ein-, zweimal die Woche, um mit Erich Schach zu spielen. Sie werden ihn mögen. Er spricht perfekt Deutsch und ist ein verdammt guter Schachspieler.»
«Wie haben Sie ihn kennengelernt?»
Henkell lachte. «Ich war sein Gefangener. In Partenkirchen war ein Gefangenenlager. Ich habe das Lagerkrankenhaus für ihn geleitet. Das Labor gehörte zum Krankenhaus. Die Amis haben natürlich ihren eigenen Arzt. Netter Kerl, aber eben doch nur ein Pillendreher. Sobald etwas Chirurgisches anfällt, ziehen sie gewöhnlich mich hinzu.»
«Ist es nicht ein bisschen ungewöhnlich, in den Alpen tropenmedizinische Forschung zu betreiben?», fragte ich.
«Im Gegenteil», sagte Henkell. «Wissen Sie, die Luft ist sehr trocken und rein. Das Wasser auch. Das macht die Alpen zum perfekten Ort, um eine Kontaminierung der Proben zu vermeiden.»
«Sie sind ein vielseitiger Mensch», erklärte ich.
Das schien ihm zu gefallen.
Gleich hinter Murnau führte die Straße durch das Murnauer Moos. Hinter Farchant öffnete sich das Garmischer Talbecken, und wir hatten den ersten Blick auf die Zugspitze und die anderen Berge des Wettersteingebirges. Als Berliner hatte ich etwas gegen Berge, vor allem gegen die Alpen. Sie sahen immer irgendwie geschmolzen aus, als ob sie aus Versehen zu lange in der Sonne gelegen hätten. Ein paar Kilometer weiter gabelte sich die Straße, es knackte in meinen Ohren, und wir waren am Sonnenbichl, nur ein Stückchen nördlich von Garmisch.
«Die eigentliche Musik spielt unten in Garmisch», erklärte er. «Da sind die ganzen Anlagen von der Olympiade ’36. Es gibt ein paar Hotels – die meisten haben die Amis requiriert –, zwei, drei Kegelbahnen, den Offiziersklub, ein paar Bar-Restaurants und die Talstationen der Wank- und der Zugspitzbahn. So gut wie alles andere untersteht dem Southeastern Area Command der dritten US-Armee.
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