Das Jesuskomplott. Thriller (German Edition)
berichtete kurz zusammengefasst von Hendersons Kindheit in Irland, der Ermordung seiner Eltern und seiner Schwester und seiner Adoption.
«Aber selbst Rache war nur eines seiner Motive. Sanika hat zahlreiche Beweise zusammengetragen, dass Harold noch etwas anderes plante.»
Sie reichte einige weitere Fotokopien in die Runde, darunter einen detaillierten Plan des Mausoleums. Es war ein zeltartiges Gebäude, das im Inneren wie eine Kirche gestaltet war. In einer Art «Chorraum» waren die Ossuarien aufgestellt, dahinter erhob sich das Kreuz mit dem Korpus. Am Rand des Raumes stiegen die Sitzplätze an, wie sie es aus dem Provisorium in London kannten. In der Mitte befanden sich klassische Kniebänke, wie man sie in Kirchen überall auf der Welt fand.
«Er plante eine neue Religion, basierend auf der Verehrung einer mächtigen Reliquie: den Überresten des gekreuzigten Jesus Christus.»
Hawley schlug mit der Faust auf den Tisch.
«Stellt euch das mal vor. Allein das Merchandising, das man rund um diese Reliquie betreiben könnte. Das ist ein Millionengeschäft.»
«Moment!» Theresia Stone hatte seit Minuten kein Wort gesagt. Ihr Gesicht hatte einen fast verzweifelt fragenden Ausdruck.
«Bevor wir uns hier vollständig in der Spekulation verlieren. Ein Problem haben wir noch. Unser Mann starb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Kreuz. Damit ist eine moderne Fälschung des Skeletts ausgeschlossen, soweit ich weiß, wird die Kreuzigung seit Hunderten von Jahren nirgendwo auf der Welt mehr praktiziert.»
Sarah und Hawley sahen Engel fragend an. Sie wussten, dass hier der Schwachpunkt ihrer Argumentation lag. Vor allem Engel hatte sich lange geweigert, eine dumpfe Ahnung zuzulassen, trotzdem hatte er gestern Georg Steiner angerufen, einen alten Schulfreund. Schon auf dem Gymnasium hatte Georg Mitschüler und Lehrer mit versteckten Knallkörpern oder Feuer- und Raucheffekten zu Tode erschreckt. Heute war er einer der gefragtesten Special-Effects-Profis in Deutschland. Er hatte ihn im Studio erwischt, wo er an einem Horrorstreifen drehte.
«Du willst gar nicht wissen, worum es dabei geht», hatte er lachend auf Engels höfliche Frage geantwortet. Obwohl er zeitlich unter Druck stand, hatte sich Georg bereiterklärt, einen Blick auf Hendersons Video zu werfen. Engel hatte ihm nichts von seiner Vermutung erzählt, sondern eine Geschichte erfunden. Angeblich wolle er einen Bekannten, einen schrecklichen Angeber, damit überraschen, dass er genau erläutern könne, wie diese Szenen produziert worden seien. Es handele sich um einen Film über das Leben Jesu.
«O Gott, auch das noch», hatte Georg gelacht. «Ich hasse Sandalenfilme».
«Ruf mich morgen an», hatte Georg zum Abschied gesagt.
Engel erzählte den anderen kurz von seinem Schulfreund und griff zum Handy. Nachdem er die Nummer gewählt hatte, folgte er einem spontanen Impuls und schaltete den externen Lautsprecher an. Georg meldete sich nach dem dritten Klingeln. Offenbar hatte er Engels Nummer erkannt, denn er begann ohne Begrüßung.
«Was für einen Scheiß hast du mir da geschickt? Das ist nun wirklich das ekelhafteste Splattervideo, das man sich denken kann. Bisher habe ich geglaubt, so was gäbe es gar nicht.»
Engel unterbrach seinen Redeschwall.
«Moment, Georg, verstehe ich dich richtig? Willst du etwa behaupten, die Kreuzigung sei gar kein Spezialeffekt, sondern echt?»
«Wenn das ein FX-Mann gemacht hat, sollten wir anderen schleunigst den Job wechseln.»
Er hatte alles geprüft. Lichteinfall, Schnittsequenzen, sich das unter der Peitsche spritzende Blut in extremer Zeitlupe wieder und wieder angesehen. Er hatte die Hand des Opfers auf Bildschirmgröße gezoomt und zugesehen, wie der Nagel das Fleisch durchschlug. Er hatte es erst nicht glauben wollen und immer feinere Filter eingesetzt, immer extremere Vergrößerungen gewählt. Aber es gab keinen Zweifel. Das waren keine am Computer erzeugten Spezialeffekte, das waren echte Bilder.
«Du meinst, da haben irgendwelche Leute einen anderen real und vor laufender Kamera zuerst gefoltert und ihn anschließend durch Kreuzigung getötet?»
«Genauso ist es, Mann. Mir wäre es lieber, ich hätte es nicht gesehen.»
In diesem Moment sprang Sarah Goldberg auf und riss ihren Stuhl um. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, würgte und rannte aus dem Raum. Theresia Stone atmete schwer, und Hawley hatte vor Entsetzen die Augen geschlossen. Die anderen saßen mit leeren, ausdruckslosen
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