Das Jungmädchenbett
Schutzbefohlenen zu.
»Nun, ich möchte alle Schüler — die alten wie die neuen — zum beginnenden Arbeitsjahr willkommen heißen, einem Jahr, in dessen Verlauf wir uns gemeinsam bemühen wollen, die Stellung dieses Theaters als einer der wichtigsten Bühnen des Landes von neuem zu behaupten; einem Jahr, in dem wir...«
Lena hörte nicht zu, sondern ließ ihren Blick über die jungen Leute wandern, die ihre Kameraden werden sollten . In der kurzen Zeit der allgemeinen Begrüßung waren eine Menge Namen auf sie eingestürmt, und sie versuchte jetzt, diese Namen mit den verschiedenen Gesichtern zusammenzubringen. Sie war sich aber in keinem Fall sicher, welches Gesicht zu welchem Namen gehörte. Doch, da war einer! Da hinten stand er. Ein hochgewachsener, schlanker Junge mit dunkelbraunem, fast schwarzem Haar und einem sehr bestimmten Ausdruck in seinem charaktervollen, fein gemeißelten Gesicht. Er war einer der letzten gewesen, die sie begrüßt hatten, aber er hatte etwas an sich, das sie dazu gebracht hatte, sich seinen Namen zu merken. Er hieß Jan und schien älter zu sein als die anderen Schauspielschüler. Diese waren wohl etwa in ihrem Alter — achtzehn Jahre —, aber Jan mußte mindestens vierundzwanzig sein.
Gedankenverloren gab sie sich der Betrachtung seines Profils hin, und es hatte fast den Anschein, als hätte er ihre Blicke bemerkt, denn er wandte sein Gesicht langsam in ihre Richtung und sah sie mit seinen nußbraunen Augen fest an. Sie fühlte sich hypnotisiert und mußte sich richtig anstrengen, um ihre Augen von ihm loszureißen. Sie blickte wieder auf den Theaterchef, fühlte aber, wie die Röte an ihrem Hals emporkroch und dann die Wangen übergoß. Gleichzeitig durchströmte eine merkwürdige Wärme ihren ganzen Körper. Es war ein erregendes Gefühl, und sie fühlte sich mit einemmal ganz matt und schwach in den Knien. Hastig schlürfte sie einen Schluck Champagner und bemühte sich zu hören, was der Theaterchef sagte.
»... bleibt mir nur noch, euch noch einmal zu diesem neuen Arbeitsjahr willkommen zu heißen. Ich schlage vor, daß wir auf gute Zusammenarbeit und gute Leistungen trinken. Skål!«
Er hob sein Glas. Alle nickten ihm zu und schluckten den Champagner. Sie waren erleichtert, daß der schwierigste Teil damit für sie überstanden war. Sofort entstand lautes Gemurmel. Alle sprachen aufeinander ein. Es hatte fast den Anschein, als hätte das gemeinsame Erlebnis, eine langweilige Begrüßungsrede anzuhören, alle Hemmungen vor den vielen Fremden weggefegt.
In diesem Augenblick klatschte der Theaterchef in die Hände, um sich wieder Gehör zu verschaffen.
»Eines habe ich noch zu sagen. Heute wird es natürlich keinen Unterricht mehr geben, aber wer will, kann sich gern heute schon etwas im Theater umsehen. Denjenigen, die morgen anfangen, möchte ich schon jetzt sagen, daß ich ziemlich pingelig bin, wenn es um Pünktlichkeit geht.
Ihr sollt hier an der Schule natürlich eine möglichst individuelle Ausbildung erhalten, aber dennoch muß ich euch bitten, die von der Schulleitung festgelegten Pläne und Zeiten zu befolgen und einzuhalten. Sonst kommt das gesamte Programm durcheinander, und darunter wird letzten Endes jeder einzelne Schüler zu leiden haben. Ich will nicht verschweigen, daß wir im letzten Studienjahr zwei Schüler relegieren mußten, weil sie sich partout nicht an unsere Stundenpläne halten wollten. So, damit habe ich für heute genug geredet. Auf dem Weg nach draußen könnt ihr euch das Schwarze Brett einmal näher ansehen. Dort findet ihr den Stundenplan und ein Verzeichnis der einzelnen Arbeitsgruppen mit den Namen der dazugehörigen Schüler. Wir haben uns bemüht, die Gruppen so klein wie möglich zu halten, um den Unterricht effektiver zu machen. In einem Fach unter dem Schwarzen Brett findet ihr Vordrucke für eure eigenen Stundenpläne, und darin könnt ihr eure eigenen Stunden vermerken.«
Mit einem leichten Wedeln der rechten Hand verschwand der Theaterchef aus dem Zimmer. Sofort kippten alle den letzten Schluck Champagner in sich hinein, stellten die Gläser auf den Tisch und versuchten, sich durch die schmale Tür nach draußen zu drängen.
Lena stellte sich ein wenig abseits und wartete das Ende der Drängelei ab. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, sich mit dem ersten Schub durchzuquetschen, wäre sie damit noch längst nicht die erste am Schwarzen Brett.
»Sieh mal an, du willst also auch warten, bis es ein bißchen ruhiger geworden
Weitere Kostenlose Bücher