Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Soße tropfenden Finger abgeleckt hatte.
»Eigentlich sollte ich bei der Schweizer Botschaft nachfragen oder, was den Irak angeht, beim FBI. Er besitzt eine Antenne bei der amerikanischen Botschaft, die zur International Contract Corruption Task Force gehört.«
»Werden Sie Kontakt mit denen aufnehmen?«
»Nein«, sagte Osama. »Es ist zu früh dafür. Zuerst möchte ich wissen, wohin die Reise geht. Hinter dieser Affäre stehen mächtige ausländische Interessen. Leute, die alles daransetzen, um unsere Untersuchungen zu behindern.«
Babrak trocknete sich das Kinn, von dem noch immer die Soße tropfte.
»Diese Westler sind ganz schön beschränkt, Chef!«
»Nein, ganz im Gegenteil. Sie sind klug, und zwar sehr. Alle, die sie unterschätzt haben, mussten es bereuen. Sieh dir die Taliban an – sie wurden innerhalb von drei Wochen weggefegt.«
Osama fiel es ein wenig schwer, sich an diese junge Generation zu gewöhnen, die anders redete als er, sich anders kleidete und – häufig – so dachte wie Westler. Anfangs hatte ihn das schockiert. Dann aber fing er an, die geistige Lebendigkeit zu schätzen, die Ungezwungenheit, ja Lässigkeit, die charakteristisch für sie war. Diese jungen Leute waren vielleicht egoistischer, aber sie wollten Frieden, gaben ihr Geld lieber für elektronisches Spielzeug aus als für die Kriegsführung. Selbst das brutale Spiel
Buzkashi
verlor zugunsten der zivilisierteren Freizeitbeschäftigungen wie Fußball und Baseball an Beliebtheit. Diese Jugendlichenwaren das einzige Bollwerk der Zukunft gegen die Generation junger ungebildeter und gewalttätiger Taliban.
Der vom Minister bestimmte Ex-Taliban, der das Hamad Café in die Luft sprengen sollte, wischte sich den Schweiß ab, der ihm in die Augen lief. Abdul Hakat, so hieß er, konnte es immer noch nicht fassen, dass er für diese Mission ausgewählt worden war. Dass die Sache schiefgehen könnte, machte ihm ein wenig Angst: Was, wenn es ihm nicht gelang, in das Café hineinzukommen – bekam er dann trotzdem die versprochene Summe?
Seit er zwei Jahre im Gefängnis verbracht hatte, löste das kleinste Missgeschick eine veritable Panikattacke bei ihm aus. Er war kein exponierter Taliban, den man nach Guantánamo geschickt hätte, aber er war gefoltert worden, bevor man ihn ins Gefängnis gesteckt hatte, und trug noch die Spuren der Misshandlungen durch den NDS. Manchmal bekam er den Auftrag, für eine Handvoll Afghanis jemanden zu denunzieren, oft waren es Leute, die sich gar nichts vorzuwerfen hatten und anschließend unter größten Schwierigkeiten den Regierungsbeamten gegenüber ihre Unschuld beweisen mussten. Diesmal hatte er den Auftrag, den formellen Beweis zu erbringen, dass der Pächter des Hamad Cafés die Sicherheit seiner Gäste nicht gewährleisten konnte. Dazu hatte man ihm die Attrappe eines Sprengstoffgürtels mitgegeben. Die sollte er auf der Toilette des Cafés liegen lassen. Anschließend würde ein Polizist auftauchen und sie dem Pächter als Beweisstück zeigen. Abdul Hakat war von einem wichtigen Polizisten in die Zentrale des NDS bestellt worden, einem angeblichen Freund des Besitzers des Hamad Cafés, welcher wiederum mit den Sicherheitsmaßnahmen des Pächters nicht einverstanden war. Abdul Hakat misstraute ihm, da Sicherheitsmaßnahmen Gegenstand täglicher Debatten in Kabul waren: Zu strenge Vorkehrungen führten zu endlosem Schlangestehen, was die Kunden vergraulte, während zu laxe die Kunden ebenfalls verunsichterten. Er versteckte sichin einer Nische zwischen zwei Häusern. Er war viel zu früh dran, das Hamad Café öffnete erst um 20 Uhr, aber er hatte auch keine Lust, Geld beim Warten in einem anderen Café auszugeben. Er rollte sich in eine Decke, um sich vor der Kälte zu schützen, und wartete.
Am späten Nachmittag, nachdem das Tagesgeschäft ihn drei Stunden lang in Anspruch genommen hatte, verließ Osama unauffällig das Kommissariat. Etwa zwanzig Minuten ging er durch die engen Straßen des Viertels, wechselte immer wieder unvermittelt die Richtung, wie er es in Moskau gelernt hatte, dann rief er ein Taxi. Sobald er darin saß, wickelte er sich einen Schal um die untere Hälfte seines Gesichts und setzte einen
Pakol
auf. Mitten in einem Stau stieg er aus, und nahm ein anderes Taxi in die entgegengesetzte Richtung.
»Zum ehemaligen Königspalast!«, wies er den Fahrer an.
Die Fahrt dauerte länger als erwartet, da entlang der Straße gebaut wurde. Die Arbeiter schufteten hier wie
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