Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
du von ihm?«
»Ich möchte, dass du ihn umgehend anrufst. Ich brauche ein Testset, mit dem man Schießpulver auf den Fingern nachweisen kann. Er verwendet sie bestimmt regelmäßig. Ich brauche ein Set einer bekannten Marke, dessen Verfallsdatum noch nicht abgelaufen ist. Und wenn möglich, bräuchte ich gleich zwei.«
»In Ordnung, ich frage ihn. Soll ich sie dir ins Büro schicken lassen?«
»Nein, hierher. Ich brauche sie ganz dringend!«
»Die Post kommt nicht hierher, Osama«, bemerkte sein Freund. »Aber ich habe ein Postfach auf der Hauptpost, ich kann das Päckchen dort abholen.«
»Bitte deinen Cousin, es per Express zu schicken. Ich weiß noch nicht, wie und wann ich dir das Geld zukommen lasse, aber ich kümmere mich darum.«
Osama drückte ihn an sich. »
Lotfan,
mein Freund. Es ist sehr wichtig.«
Kurz darauf verließ er das Haus mit etwas leichterem Herzen.
Gegen acht Uhr abends verließ Babrak seine Wohnung, er freute sich, Gulbudin und seinen Chef zu treffen. Gerade hatte er sich heftig mit seiner Frau gestritten, die ihm das Leben zur Hölle machte, seit er ihr mitgeteilt hatte, eine zweite Fraunehmen zu wollen. Sie hatte angedroht, ihn zusammen mit den beiden Kindern verlassen zu wollen, was zu einem Streit geführt hatte, wie sie ihn noch nie erlebt hatten. Es war natürlich nur eine leere Drohung, denn das Gesetz untersagte es einer Frau, das gemeinsame Zuhause zu verlassen. Sie hatten sich wüst beschimpft, und Babrak war sich seiner Sache auf einmal gar nicht mehr so sicher. War es wirklich richtig, eine zweite Frau zu nehmen, wenn die erste sich so heftig dagegen wehrte? Er liebte sie und wollte nicht, dass sie unglücklich war, aber sich mit Frauen auszukennen war eine Kunst, sie waren so voller Widersprüche! Nachdem zunächst bestimmt worden war, dass Frauen neue und eigene Gesetze brauchten, weil sie dem Mann nicht gleichgestellt waren, hatte die Regierung Karzais kürzlich ein neues Gesetz eingebracht, das einem Ehemann ermöglichte, seine Frauen ohne irgendeine finanzielle Entschädigung zu verstoßen, wenn diese sich weigerten, ihren ehelichen Pflichten nachzukommen. Es legte außerdem fest, was die Gatten tun durften und was nicht, auch im Bereich der Sexualität. Und plötzlich wusste niemand mehr genau, welche Rechte und Pflichten die Frauen tatsächlich hatten – wie sollte er, ein einfacher Polizist, da den Überblick behalten?
Er schwang sich auf sein Motorrad und reihte sich in den Verkehr ein.
Osama und Gulbudin saßen in der VIP-Nische im Hamad Café, die man ihnen bei ihrem Eintreffen zugewiesen hatte. Einen Mangosaft vor sich, warteten sie auf Babrak, doch Gulbudin hatte sein Glas nicht angerührt. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen.
»Geht es dir nicht besser?«, fragte Osama beunruhigt.
»Nein,
Qoumaandaan
. Tut mir leid.«
Gulbudin hatte mehrere Splitter im Körper, ein Überbleibsel der Granate, die ihm das rechte Bein abgerissen hatte. Manchmal bewegte sich einer von ihnen – sie saßen dicht an derWirbelsäule – um wenige Millimeter und verursachte entsetzliche Rückenschmerzen. In diesen Momenten litt Gulbudin Höllenqualen. Diese Krisen tauchten urplötzlich, ohne jegliche Vorwarnung auf.
»Hast du Morphin bei dir?«
»Nein, das liegt zu Hause.«
Er war weiß wie ein Leintuch, große Schweißtropfen bedeckten seine Stirn. Osama tupfte sie ihm mit der Serviette ab.
»So kannst du nicht hierbleiben. Ich fahre dich nach Hause.«
»Aber … Babrak …«
»Er wird Verständnis haben. Verschieben wir es auf morgen Abend.«
Die Anfälle waren zwar heftig, vergingen aber auch rasch wieder. Meistens hielten sie nur ein paar Stunden an.
»Einverstanden«, murmelte Gulbudin. »Ich rufe ihn auf dem Handy an, um es ihm zu erklären.«
»Ich helfe dir beim Gehen.«
»
Qoumaandaan
, ich habe einen Polizisten aus dem Kommissariat in der Nähe des Eingangs gesehen. Können wir den Hinterausgang nehmen? Ich möchte nicht, dass einer unserer Männer mich so sieht.«
»Keine Sorge. Mein Jeep steht sowieso hinter dem Gebäude. Ich werde den Wachposten bitten, uns zu öffnen.«
Babrak brauchte weniger als eine halbe Stunde bis zu seiner liebsten Musikkneipe. Unauffällig verstaute er seinen Revolver und seine beiden Granaten unter dem Sitz. Er hatte zwar keine Angst, doch Osamas Bedenken beunruhigten ihn ein wenig. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er es mit einem Fall zu tun, in den ein mächtiges Mitglied der Regierung verwickelt war. Dass
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