Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
zwei Seiten. Auch nach einer Nacht in den Gewölben unter dem Kommissariat blieb er bei seiner Zeugenaussage, die als glaubwürdig eingestuft wurde. Sein Bruder Abdul sei nicht besonders gläubig gewesen, behauptete er. Er wisse von keiner Verbindung Abduls zu irgendeiner fundamentalistischen Gruppierung seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Er bestätigte, dass Abdul an Gebetskreisen teilgenommen hatte, er sei jedoch mehr an der Speisung durch die Moschee als an einer tatsächlichen Vertiefung seines Glaubens interessiert gewesen. Osamas Miene verfinsterte sich, dieser Bericht bestätigte seine Vermutungen. Das zweite Dokument war Katuns Autopsiebericht. Osama fiel auf, dass er äußerst knapp ausfiel. Er verglich ihn mit dem Bericht, den Katun nach Wali Wadis Autopsie erstellt hatte. Die Fonts und die Schriftgröße waren anders. Er hatte den Verdacht, dass der NDS dieses Dokument neu verfasst hatte. Es fehlte der Hinweis darauf, dass Abdul Hakat nur eine Unterhose getragen und sich die Schamhaare nicht rasiert hatte. Seufzend ging Osama zum nächsten Dokument über. Es war eine Analyse der technischen Labors in Bezug auf die Bombe. Sie bestätigte, dass es sich bei dem Sprengstoff um C 5 handelte, die chemische Zusammensetzung ließ ein in Indien hergestelltes Fabrikat vermuten. Von der manuellen Sprengvorrichtung hatten sich keine Überbleibsel gefunden, dafür aber ein Stück eines Tragriemens mit einer Antenne daran, was darauf hindeutete, dass die Explosion per Fernsteuerung ausgelöst worden war. Osama war überrascht, dass der NDS einer Weitergabe dieser Zeilen zugestimmt hatte. Die Antenne entsprach dem Typus, den die sowjetischen Spezialeinheiten verwendeten. Der Techniker ging davon aus, dass in diesem Fall derjenige, der auf den Knopf gedrückt hatte, sich in einem Umkreis von weniger als hundert Metern vom Hamad Café befunden hatte.
Osama legte den technischen Untersuchungsbericht beiseiteund widmete sich der Zeugenbefragung durch den Geheimdienst. Der Mann vom Sicherheitsdienst und ein Nachbar gaben an, dass ein schwarzer Jeep kurz nach der Explosion davongefahren war. Der Nachbar zeigte sich erstaunt darüber – das Hamad Café brannte bereits lichterloh! Er hatte das Nummernschild des Wagens aber nicht erkennen können. Vergeblich suchte Osama nach dem Namen dieses Zeugen. Da er ihn nicht fand, beschloss er seufzend, ihn aufzusuchen.
Die Gegend um das Hamad Café vermittelte den Anschein der Normalität, obschon die Polizei noch vor Ort war. Zwei ihrer Wagen standen vor den Ruinen. Der Gemüsehändler von gegenüber hatte wieder geöffnet, ebenso der Fleischer und das Geschäft für Fernsehreparaturen. Maurer besserten die Schäden der am ärgsten in Mitleidenschaft gezogenen Läden aus, angetrieben von den Geschäftsinhabern, die so rasch wie möglich ihren Handel wieder aufnehmen wollten. Osama brachte eine halbe Stunde mit der Befragung der Nachbarn zu, bis er endlich denjenigen fand, der den Jeep gesehen hatte. Es war ein alter Mann, dessen Turban und langer Bart einen deutlichen Hinweis auf seine Überzeugungen gaben. Er bat Osama in sein Wohnzimmer. Ein Foto, das ihn in Mekka zeigte, stand auf der Anrichte, dem einzigen Möbelstück im Raum, und bewies, dass der Mann ein
Hajj
war. Osama gab sich ebenfalls als solcher zu erkennen, was seinen Gastgeber augenblicklich auftauen ließ.
»Erzählen Sie mir doch bitte von dem Abend des Attentats.«
Als die Explosion stattfand, war der Mann gerade dabei gewesen, mit zwei Freunden Tee zu trinken und ein Würfelspiel zu spielen. Die Scheiben seines Ladens waren zersplittert, sie blieben jedoch unverletzt. Gegenstände seien durch die Luft geflogen und krachend auf dem Dach gelandet. Die Rettungsmannschaften hatten später Möbelstücke aus dem Hamad Café aufgesammelt, außerdem Leichenteile. Der Mann gab an, sofort zusammen mit seinen Freunden auf die Straße gerannt zu sein, um nachzusehen, was los war.
»Ich dachte sofort ans Hamad Café, weil sie dort gottlose Musik spielen und Haschisch rauchen. Manche behaupten auch, es werde dort heimlich Alkohol serviert.« Er spuckte auf den Boden. »Schlechter Ort, schlechte Menschen. Schlechte Moslems.«
»Was fiel Ihnen auf, als Sie auf die Straße rannten?«
»Ich sah, dass das Hamad Café in Flammen stand. Ich sah, wie Menschen durcheinanderrannten. Ich sah einen Mann, der in Flammen stand. Er starb dort drüben.« Er deutete auf einen schwarzen Fleck auf dem lehmigen Gehweg.
»Und dann, was
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