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Das Kadett

Das Kadett

Titel: Das Kadett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Richtung gelenkt, die Miles am wenigsten behagte. Vor seinem inneren Auge tauchte Elenas Bild auf – das zarte Adlerprofil, große dunkle Augen, die kühlen, langen Beine, die warmen geschwungenen Hüften. Sie sah wie eine Gräfin in einem Drama aus. Wenn er ihr nur diese Rolle im wirklichen Leben verschaffen könnte … Aber ein Graf wie er!
    Auf der Bühne könnte er problemlos einen Aristokraten darstellen. Die Verkrüppelten ließ man in Dramen auf Barrayar immer die ränkeschmiedenden Schurken spielen. Wenn er nicht Soldat werden konnte, hatte er vielleicht als Schurke eine Zukunft. »Ich schleppe die Jungfrau fort«, stieß er hervor und senkte probeweise die Stimme um eine halbe Oktave. »Dann sperre ich sie in mein Verlies.«
    »Leider habe ich kein Verlies.« Seine Stimme klang wieder normal. Er seufzte. »Der Wandschrank müsste genügen. Großvater hat recht. Wir sind eine degradierte Generation. Und überhaupt würden sie einen Helden anheuern, um sie zu befreien. Irgendeinen Fleischberg – vielleicht Kostolitz. Und man weiß ja, wie diese Kämpfe immer ausgehen.«
    Miles schob sich auf die Füße und watschelte durchs Zimmer. Kostolitz’ Schwert gegen – sagen wir – Miles’ Morgenstern. Ein Morgenstern war die passende Waffe für einen Schurken. Er verlieh das Gefühl persönlicher Freiheit und echte Autorität. Erstochen würde er in den Armen der untröstlichen Elena sterben – nein! Sie würde in Kostolitz’ Armen fröhlich feiern.
    Miles’ Blick fiel auf einen antiken Spiegel, der in einem handgeschnitzten Rahmen gehalten wurde. »Blöder Zwerg!«, brummte er. Plötzlich hätte er am liebsten den Spiegel mit der bloßen Faust zerschmettert, dass die Glassplitter und sein Blut umherspritzten. Aber der Krach würde die Wachen auf dem Korridor alarmieren. Außerdem würde die Familie anstürmen und einen Haufen Erklärungen verlangen. Er drehte den Spiegel herum, dass er zur Wand sah, und warf sich dann aufs Bett.
    Dann legte er sich auf den Rücken und überlegte sich die Sache ernsthaft. Er stellte sich vor, wie er so richtig ordentlich seinen Vater bat, für ihn bei Bothari Fürsprache einzulegen. Grauenvoller Gedanke! Er seufzte und versuchte vergeblich eine bequemere Lage zu finden. Er war erst siebzehn, selbst nach den üblichen Regeln Barrayars war das zu jung, außerdem hatte er keinerlei Beruf – es würde bestimmt Jahre dauern, bis er in einer ausreichend unabhängigen Lage war, ohne die Unterstützung seiner Eltern um Elenas Hand anzuhalten. Bis dahin hatte sie ihm ein anderer mit Sicherheit weggeschnappt.
    Und Elena selbst … Was bot ihr diese Verbindung? Bestimmt war es kein Vergnügen, wenn ein hässlicher, missgestalteter Gnom auf ihr herumkroch – wenn man sie in der Öffentlichkeit anstarrte, vor allem in dieser Welt, wo Landessitten und importierte Medizin zusammenarbeiteten, um auch nur die kleinste körperliche Behinderung auszuradieren. Man würde sie wegen des lächerlichen Kontrastes zwischen beiden doppelt anstarren. Konnten die Privilegien eines ausgestorbenen Rangs, die mit jedem Jahr mehr schwanden, diese Peinlichkeit ausgleichen? Außerhalb Barrayars war dieser Rang völlig bedeutungslos, das war ihm klar. Seine Mutter betrachtete, auch nachdem sie nun schon achtzehn Jahre hier lebte, das Vor-System als reine planetenweite Massenhalluzination.
    Es klopfte zweimal laut an der Tür. Autoritär kräftig und höflich kurz. Miles lächelte, seufzte und setzte sich auf.
    »Komm rein, Vater!«
    Lord Vorkosigan steckte den Kopf um den geschnitzten Türstock. »Noch angezogen? Es ist schon spät. Du solltest dich ausruhen.« Allerdings war er nicht konsequent sondern trat ein und zog sich einen Stuhl heran, auf dem er rittlings Platz nahm und die Arme gemütlich auf die Lehne stützte. Er trug auch noch die Ausgehuniform, die er jetzt an jedem Arbeitstag anlegte. Dabei war er jetzt Premierminister und nicht mehr Regent, also auch nicht mehr Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Miles fragte sich, ob die alte Admiralsuniform noch korrekt war. Oder war sie ihm einfach inzwischen angewachsen?
    »Ich … hm«, begann sein Vater und machte eine Pause, um sich leise zu räuspern. »Ich habe mich gefragt, was du als nächsten Schritt so vorhast, als Alternativpläne.«
    Miles Lippen wurden schmal. Er zuckte die Achseln. »Es gab nie Alternativpläne. Mein einziger Plan war, die Aufnahme in die Militärakademie zu erreichen – ich Idiot!«
    Lord Vorkosigan schüttelte verneinend

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