Das Känguru-Manifest
gibt’s für Neuigkeiten aus deinem Kleinkrieg?«, frage ich.
»In den Resten nichts Neues«, sagt das Känguru. »Hauptsächlich Verpackung von Fischstäbchen und anderer Tiefkühlkost. Leere Sardinendosen. Schuhcreme. Eine Fusselbürste.«
»Wahrscheinlich für seinen Frack«, sage ich, schlurfe durch den Flur ins Wohnzimmer und lege mich auf die Couch. Das Känguru schlurft hinterher und lässt sich in den Sessel fallen.
»Warum so fröhlich?«, fragt es.
Ich winke mit einem Brief. »Mein Lektor hat mir geschrieben, dass ich für den Deutschen Buchpreis der Ullstein Buchverlage nominiert bin!«, sage ich.
»Hab ich noch nie von gehört«, sagt das Känguru.
»Ich auch nicht«, sage ich gut gelaunt. »Aber ist doch super!«
»Wie heißt der Preis?«
»Der Deutsche Buchpreis der Ullstein Buchverlage«, sage ich. »In der Kategorie ›Buch mit sprechendem Tier‹.«
»Ist da noch jemand anderes nominiert?«
»Keine Ahnung«, sage ich. »Aber ist doch super. Das Buch ist keine zwei Wochen draußen, und schon für einen Preis nominiert. Es gibt ein Gala-Event mit allerhand Promis, und das wird im Fernsehen übertragen und von der bekannten Moderatorin … äh«, ich werfe einen Blick in den Brief,
»äh …Julia Müller moderiert.«
»Julia wer? Hab ich noch nie von gehört.«
»Ich auch nicht«, sage ich. »Aber die ist bestimmt … äh … okay.«
»Gibt’s Geld dafür?«, fragt das Känguru.
Noch einmal überfliege ich den Brief.
»Nee«, sage ich nachdenklich und setze mich auf.
»Nun ja«, sagt das Känguru.
»Manno«, sage ich. »Bis eben hatte ich mich noch total gefreut …«
Ich streife mir die Schuhe ab. Meine Gedanken wandern.
»Weißt du, was mir heute Irres passiert ist?«, frage ich.
»Noch nicht«, sagt das Känguru.
»Ich bin aus dem Haus gegangen, habe mich mit meinem Agenten getroffen, war mit der Band im Proberaum, war einkaufen, und erst zu Hause ist mir aufgefallen, dass ich den ganzen Tag gar keine Strümpfe anhatte!«
Das Känguru blickt mich gespannt an.
»Kommt noch was?«, fragt es.
»Selbst beim Fahrradfahren ist mir nicht aufgefallen, dass ich keine Strümpfe anhatte«, sage ich.
»Und da sagen die Leute immer, das Leben schreibe die besten Geschichten«, sagt das Känguru.
»Auch nicht, als ich beim Bäcker gewartet habe«, sage ich. »Nicht mal, als meine Schuhe aufgegangen sind und ich sie wieder zubinden musste.«
»Ich finde, das Leben zieht immer alles unerträglich in die Länge.«
»Meine Mama sagt das immer«, sage ich. »Das Leben schreibt die besten Geschichten. Und ich frage mich dann immer, will sie mich subtil beleidigen? Ich rufe sie doch auch nicht an und sage: ›Hey! Was ich sagen wollte: Mutter Natur ist doch die beste Mutter.‹«
»Ey, deine Mutti …«, sagt das Känguru. »Deine Mutti rief hier an, letztens als du mit der Band unterwegs warst, und hat deshalb mir ungefähr Folgendes erzählt: ›Du, Känguru, du kennst doch die Tochter von der Edeka-Kassiererin, weil jedenfalls da gibt es doch ein Dorf weiter diese Kirche, wo ich mal im Kirchenchor gesungen habe, aber dann nicht mehr, wegen der dicken Frau, die konnte ich nicht leiden, wie dem auch sei, daneben ist doch das Schwimmbad, wo ich mal den Unfall gebaut habe, als ich rückwärts gefahren bin und vorwärts gekuckt habe, und da habe ich doch diesen Radfahrer überfahren, jedenfalls der Sohn von dessen Fahrradhändler, den sieht man jetzt öfter mit der Tochter von der Edeka-Kassiererin …‹«
»Also der Franz hat mit der Katrin angebändelt …«, sage ich kopfschüttelnd. »Ts, ts, ts.«
»Kennst du die Leute aus dieser Geschichte?«, fragt das Känguru.
»Nee«, sage ich. »Ich hab mir die Namen gerade ausgedacht.«
»Hm, hm«, macht das Känguru nachdenklich, legt seinen Kopf schräg, kneift seine Augen zusammen und mustert mich einige Sekunden.
»Mein Ironiedetektor kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis«, sagt es schließlich.
Dann schüttelt es seinen Kopf.
»Na ja, whatever. Jedenfalls hat deine Mutti nach dieser Schilderung, die ich im Übrigen stark gekürzt habe, auch gesagt, das Leben schreibt die besten Geschichten.«
»Aber deshalb solltest du dem Leben nicht gleich alles absprechen«, sage ich. »Manchmal hat es ganz witzige Ideen.«
»Ja. Jörg Haider zum Beispiel hatte ’ne Knaller-Schlusspointe«, sagt das Känguru, »aber meines Erachtens hätte sich das Leben auch da ein wenig kürzer fassen können.«
»Oder zum Beispiel …«, sage ich. »Da stand
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