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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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aufstehen, wenn der kleine Zeiger auf der Drei stand. Ob er müde war oder nicht, Rant musste diese Stunde oben in der Mansarde in seinem Bett verbringen. Meist lag er dort hellwach und hielt einen ausgestopften Hasen im Arm, den er »Bär« nannte.
    Stell dir den Augenblick vor, wo deine Eltern dich zum ersten Mal nicht mehr bloß als Miniaturausgabe ihrer selbst gesehen haben. Dich als sie selbst, nur niedlicher, besser. Besser erzogen. Unschuldig. Und dann stell dir vor, wie das für sie gewesen sein muss, als du nicht mehr ihr Traum warst.
    Wenn die Sonne schien und Rant draußen die Hunde bellen hörte, sagte er: »Bär will spielen gehen ...«Wenn er nicht müde war, sagte Rant: »Aber Bär will nicht schlafen ...«
     
    Ruby Elliot (

Freundin aus Kindertagen): Alle, die mit Irene Shelby zur Schule gegangen sind, wissen es, dass sie Buster Casey beinahe nicht zur Welt gebracht hätte. Irene war gerade mal dreizehn, als Chester sich mit ihr eingelassen hat, vierzehn, als sie das Baby erwartete. Sie war alles andere als erfreut, dass sie als Einzige in der neunten Klasse schon Schwangerschaftsstreifen bekommen und ein Kind stillen sollte.
     
    Edna Perry (

Nachbarin aus der Kindheit): Sagen Sie niemandem, dass Sie das von mir haben, aber vor Busters Geburt hat Irene dauernd davon gesprochen, sie wolle später Malerin werden, oder Bildhauerin. Was genau sie dabei machen wollte, war ihr selbst nicht klar. Jedenfalls ist sie zu Dr. Schmidt gegangen, um das Baby vielleicht noch loszuwerden. Und sie hat Pfarrer Fields um Erlaubnis gefragt. Hat alles nichts geholfen. Selbst ihre eigene Ma, Esther Shelby, hat ihr gesagt, das Kind kommt als fleischgewordener Fluch des Teufels auf die Welt.
     
    Echo Lawrence: Irene drückte dem kleinen Rant einen Kuss auf die Stirn. Sie saß bei ihm auf der Bettkante, zeigte scherzhaft drohend auf den ausgestopften Hasen und sagte: »Wir brauchen unseren Mittags schlaf.« Sie sagte: »Komm, wir zählen unsere Sterne, bis wir müde sind.« Rants Mutter ließ ihn zählen: Eins ... zwei ... Die ganzen Papiersterne, die an die Zimmerdecke geklebt waren. Vier, fünf, sechs, und dann ging sie rückwärts aus dem Zimmer und schloss die Tür.
     
    Ruby Elliot: Ungelogen, Esther hat ihre Tochter, Irene, ungefähr im selben Alter bekommen. Chet Casey war der Einzige, der dafür war, dass der kleine Rant zur Welt kommen sollte. Chet und Irene heirateten, aber die Schule musste sie trotzdem verlassen. Wenn man heute sieht, welchen Weg Buster Casey eingeschlagen hat, die Seuche, die er verbreitet hat, dann muss man wohl sagen, dass Irene damals die falsche Entscheidung getroffen hat.
     
    Echo Lawrence: Eine Stunde lang lag er da in seinem Bett, starrte leeren Blicks an die Decke und erforschte mit dem rechten Zeigefinger das warme Innere seines Kopfs. Jeden Tag um zwei Uhr lag Rant da und bohrte in der Nase. Zog zähe Rotzfäden heraus und rollte sie zwischen zwei Fingern, bis sie schwarz waren. Das schwarze Rotzklümpchen klebte an einem Finger oder am Daumen, und sosehr er die Hand schütteln mochte, es fiel niemals ab. Er klebte das zähe schwarze Klümpchen an die Wand über seinem Kopfkissen, wo die weiße Farbe bereits übersät war mit diesen schwarzen Punkten. Tausende schwarze Rotzklümpchen, plattgedrückt und mit filigranen Mustern versehen. Souvenirs von seinen Reisen im Kopf. Der immergleiche Abdruck von Rants rechtem Zeigefinger. Ein Regenbogen aus Fingerabdrücken. In dem Maße, wie der Arm des kleinen Jungen wuchs, zogen auch die Popel immer größere Kreise. Die alten, unmittelbar um sein Kopfkissen, waren verstaubte Andenken an die Zeit, als er noch sehr klein gewesen war. Hundert Mittagsschläfchen später waren die Punkte groß wie Rosinen und so hoch und weit verteilt, wie er mit dem Arm kam, wenn er auf dem Rücken lag und den Kopf auf dem Kissen hatte.
    An die Decke seines Kinderzimmers hatte Irene Casey helle Sternchen geklebt, die grün leuchteten, wenn man das Licht ausmachte.
    Das Kopfende von Rants Bett war ein negativer Nachthimmel. Dort hatten sich klebrige schwarze Punkte zu anderen Sternbildern zusammengefunden. Bis zu diesem Tag hatte Rant den Unterschied nie bemerkt.
     
    Edna Perry: Wenn ich Ihnen ein Geheimnis verraten soll: Der erste Mensch, den Rant Casey auf dem Gewissen hat, war Irene. Seine Mama war der erste Mensch, den er um seine leuchtende Zukunft gebracht hat.
     
    Echo Lawrence: Dann kam der Tag, wo Rant aufhörte, ein Engel zu sein. Zwei Uhr, seine

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