Das Kainsmal

deutlich in der Jeans ab, man konnte fast sehen, wie er mit seinem Herzschlag pulsierte. Seine Ärmelknöpfe klickten hektisch und laut wie Popcorn.
     
    Silas Hendersen (

Freund aus Kindertagen): Die älteste Ausrede der Mädchen in der Schule lautet, man habe »Krämpfe«. Ein Code-Wort, das ihnen zwei Aspirin beschert und die Chance gibt, die Zwischenprüfung in Trigonometrie zu schwänzen. Was das angeht, sind die Jungs wirklich im Nachteil.
     
    Lowell Richards (

Lehrer): Es war eindeutig eine Korrelation zu beobachten zwischen schönem Wetter und der Zahl der Jungen, die an schmerzhaften Erektionen litten. Es ging dabei gar nicht um die Penisse als solche, sondern um die Unmöglichkeit, sie in ihrem geschwollenen Zustand zu verbergen. Darüber hinaus gab der Bezirkssyndikus zu bedenken, dass eine Kleiderordnung, die das Tragen spezieller, züchtiger Suspensorien vorschreibe, rechtlich einfach nicht durchsetzbar sei und außerdem nur den Effekt habe, das leidige Thema noch weiter ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.
    Wir bemühten uns daher, das Problem des Priapismus möglichst diskret und gleichsam indirekt anzugehen. Der Syndikus empfahl, von einem Verbot von Erektionen auf dem Schulgelände abzusehen. Vertreter des Lehrkörpers sollten vielmehr Erektionen weder zur Kenntnis nehmen noch andererseits versuchen, sie zu kaschieren oder ihnen abzuhelfen.
     
    Cammy Elliot: Rants allergrößtes Geheimnis waren aber seine Kleider. Er hatte zu Hause einen ganzen Schrank voll Hemden und Hosen, Jeans und Westen. Die Bügel hingen so dicht zusammen, dass die Stange im Schrank sich schon durchbog. Das Problem war, dass Irene Casey einfach nicht unkreativ sein konnte. Sie musste sich immer irgendwie ausdrücken. Dauernd versuchte sie was Neues. Stickte Sonnenblumen und Efeuranken. Grinsende Halbmonde und Sterne. Flicken zum Aufbügeln, Glitzerfarben. Chromnieten. Batik. Oft saß Mrs. Casey die halbe Nacht da und stickte sich bei schummriger Beleuchtung halb blind, bloß um aus normalen Kleidern besondere Kleider zu machen.
    Rant schämte sich nicht, mit bestickten Klamotten in Regenbogenglitzerfarben zur Highschool zu gehen, aber was er nicht ertragen konnte, waren die Sprüche, die die Mitschüler über seine Mutter machten. Sie sagten, als Künstlerin tauge sie wirklich nicht. Sie sagten: keinerlei Talent. Die Sticheleien waren schlimmer als die schlimmsten Stickereien.
     
    Logan Elliot (

Freund aus Kindertagen): Casey hatte alle Jungen in Aufruhr versetzt. Wir verlangten Gleichberechtigung für Ständer, beklagten uns, wir würden unterdrückt, und verbrannten Suspensorien auf dem Schulparkplatz.
     
    Leif Jordan (

Freund aus Kindertagen): Rant setzte sich für uns ein. Unter anderem forderten wir einen therapeutischen, rund um die Uhr geöffneten Speisesaal, da man bekanntermaßen unmöglich gleichzeitig essen und einen Steifen haben kann. Wir verlangten gleichberechtigte Anerkennung unserer biologischen ... Aber dann wussten wir nicht mehr weiter. Sollten wir sagen: »Behinderungen«? »Handicaps?« »Benachteiligungen«? Mit der Terminologie quälten wir uns sehr.
    Am Ende einigten wir uns auf »Belastungen« und verlangten »volle und gleichberechtigte Anerkennung der uns durch die Anatomie des Mannes auferlegten Belastungen«. Wir fanden, »Belastungen« höre sich sehr anständig an.
     
    Bodie Carlyle: In seinen langen Jahren als Mathelehrer hatte Mr. Wyland nicht eben viel erlebt, jedenfalls nichts, was ihn auf einen potentiell lebensbedrohlichen Ständeralarm vorbereitet hätte. Als Geometrietrottel vorgeführt zu werden, war genauso würdelos, wie mit einer weithin sichtbaren Latte dazustehen. Doch in diesem Fall war es Rant, der das Problem vorgab, und Wyland, der gezwungen war, unter all diesen erwartungsvollen Blicken zu einer Lösung zu kommen.
     
    Leif Jordan: Vielleicht hätten wir einen Arzt dazu bringen können, das als »chronisches Ständersyndrom« zu benennen.
     
    Mary Cane Harvey (

Lehrerin): Rant Casey selbst hat mir erzählt: »Das ist meine Schutzimpfung dagegen, jemals wieder in Geometrie runtergemacht und gedemütigt zu werden.«
     
    Cammy Elliot: Einzelne Schüler hoben überaus höflich die Hand und sagten: »Verzeihung, Mrs. Harvey ...« Oder: »Nichts täte ich lieber, als diesen wunderbaren Satz zu analysieren, aber ich habe einen knüppelharten Ständer in der Hose, und der ist so dunkelrot angelaufen, dass es wehtut ...«
    Ehrlich. Sie sagten: »Vielleicht, wenn