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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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das zum Teil viel köstlicher war, wie zum Beispiel Glenda Hendersens Walnussriegel oder Sally Peabodys Birnenstreuselkuchen, hat man gar nicht weiter beachtet, einfach weil man es essen konnte, ohne befürchten zu müssen, daran zu ersticken.
     
    Echo Lawrence: Einmal, nach einem Orgasmus, spüre ich in mir drin einen Druck, keinen Schmerz, eher wie das Gefühl, wenn ein Tampon verrutscht. Oder als ob ich pinkeln müsste. Rant fährt mit zwei Fingern rein und holt da so ein rosa Dings heraus. Größer als ein Zahn. Glatt und glänzend.
    Auch nackt haben wir uns eigentlich nie richtig berührt. Zwischen seiner Haut und meiner war immer irgendwie eine dünne Schicht aus Schweiß, Spucke oder Sperma zu spüren, klebrig angetrocknet oder schleimig feucht.
    Rant liegt da, auf die Ellbogen gestützt, und betrachtet etwas in seiner Handfläche.
    Als ob er dieses rosa Ding da eben aus mir rausgesaugt hätte.
    Ich richte mich auf, um mir das anzusehen. Aber es ist nur ein Scherz.
    Ein Püppchen. Ein Baby aus rosa Plastik. Und Rant sagt: »Wie ist das denn da reingekommen?« Das Mantra seiner Mutter.
    Er grinst mich an und sagt: »Dann bin ich wohl der Glückspilz des Tages ...«
    Dass ich von seiner Spucke die Tollwut bekommen habe, spielt schon fast keine Rolle mehr.

13
Ständer
     
    Bodie Carlyle (

Freund aus Kindertagen): Montagmorgens war ich immer fix und fertig, weil ich den ganzen Sonntagabend Mathe büffeln musste. Algebra IL Für Mr. Wylands Hausaufgaben brauchte man mindestens sechs bis acht Stunden, und ich habe die immer bis zur letzten Minute aufgeschoben. Wenn ich die Augen zumache, höre ich noch immer die Stimme der Hauptzeugin. Die Hauptzeugin war das Mädel, das damals in Mathe immer die Regie übernahm. Da man Gedanken nicht ausblenden kann - nur sensorischen Schrott wie Geschmack, Geruch, Töne und visuelle Eindrücke -, hörte man die Hauptzeugin, wie sie Schritt für Schritt jede einzelne Gleichung erklärt, während man dabei zusieht, wie sie mit der Kreide in der Hand die Zahlen auf die Tafel kratzt.
    Und ihre Stimme sagt: »Wenn x gleich Cosinus y, und y größer als z, muss der Bestimmungsfaktor von x ...« Und inzwischen bin ich eingeschlafen. Schon noch dabei, aber mit laufendem Sägewerk. Montags habe ich bloß den Geruch von Kreidestaub wahrgenommen. Das Klopfen, wenn sie die Kreide zum Zeichnen einer neuen Linie auf die Tafel setzte. Folien und Overheadprojektoren hatten wir nicht, bloß eine Tafel, so primitiv war das damals. Noch Jetzt jahrzehnte später, kann ich genau sagen, dass die Hauptzeugin Rechtshänderin war und einen langärmeligen roten Pullover trug, die Ärmel ein Stück hochgekrempelt. Immer der Geschmack von schwarzem Kaffee in ihrem Mund. Ihre Hand, typisch für einen Nachtgänger, wie mir mal jemand gesagt hat. Nicht der leiseste Anflug von Sonnenbräune auf dem Handrücken. Handrücken, Knöchel, Handinnenfläche: alles gleich weiß.
    Dass ich nicht durchgerasselt bin, verdanke ich nur der Tatsache, dass Rant Casey noch viel schlechter war als ich und Mr. Wyland seinetwegen die Messlatte allgemein etwas tiefer hängte. Montagmorgens klopfte Rant meist schon vor Sonnenaufgang bei mir ans Fenster. Dann liefen wir ein paar Horizonte weit, bis Rant sein Loch gefunden hatte. Er krempelte den Ärmel auf, steckte den Arm bis zur Schulter rein und bat mich, ihm Nachhilfe zu geben. In Algebra. Geschichte. Gemeinschaftskunde. Er gab den Spinnenbissen die Schuld, dem Gift, der Tollwut, und er beklagte sich, dass sein Port nicht funktioniere. Er habe sich eingestöpselt, könne aber nichts boosten.
     
    Danny Perry (

Freund aus Kindertagen): Rant Casey legte sich bäuchlings in den Sand, stemmte die Ellbogen auf und steckte die Nase in den Bau. Er brauchte nur an so einem Erdloch herumzuschnüffeln, um zu erkennen, ob da ein Hase, ein Kojote, ein Stinktier oder eine giftige Spinne drin lebte. Er konnte sogar sagen, was für eine Spinne.
    Mit Rant Casey befreundet zu sein, das war schon eine echte Herausforderung. Man musste ständig in irgendwelche Erdlöcher greifen, die er einem zeigte, und man hatte keine Ahnung, auf was man da stoßen würde.
     
    Bodie Carlyle: Wir sind in der Wüste, am Horizont flackert Licht auf. Feuerfarben. Ich erzähle Rant von der Effeff-Verordnung und davon, wie blass und unheimlich die Algebrahand aussieht. Eine Hand, die nie an die Sonne kommt. Kaffeegeschmack einer Fremden im Mund.
    Und Rant sagt: »Scheiße.« Er stopft die freie Hand vorn in

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