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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Vierstundenfenster an einem Samstag. Oder montags ein Nachtfenster von acht bis acht.
     
    Shot Dunyun: In der Nacht, als wir Rant kennen lernten, da war er aus einem Hotel abgehauen, wo er auf die Zuweisung einer Übergangswohnung für Nachtgänger wartete. In einer Stadt, in der die meisten Leute entweder Jobs haben oder am Boosten sind, da ist es kein Wunder, wenn ein Arbeitsloser, einer, dessen Port zu nichts taugt, nachts allein durch die Straßen läuft.
    Rant steigt ein und gibt mir einen Vierteldollar. Also wirklich. Was glaubt er, wie viel Benzin man dafür tanken kann? Allerdings ist es eine Goldmünze, von 1887. Keine Ahnung, was so ein Ding wert ist, jedenfalls legt Echo den Gang rein, und wir fädeln uns in den Verkehr. Rant ist auf die Rückbank geklettert, als habe er sein ganzes beschissenes Leben lang darauf gewartet, dass wir ihn mitnehmen. Und Green streckt die Hand nach hinten aus und sagt: »Kann ich mir diese Münze mal genauer ansehen?«
     
    Echo Lawrence: Ein guter Fahrer sollte immer nur nach vorn blicken müssen. Gute Späher auf der Rückbank sollten immer nur zu den Seiten- und Rückfenstern hinaussehen. Wohin das Auto fährt, hat sie nicht zu interessieren. Ein guter Beifahrer kümmert sich um sein Seitenfenster und die halbe Windschutzscheibe.
    Man sucht nicht nur nach Autos, die man rammen kann. Man hält auch nach Autos Ausschau, die einen selber rammen wollen. Man späht nach Autos, die sich schon an ein anderes drangehängt haben. Man hält Ausschau nach der Polizei. Nicht bloß während der Jagd, sondern immer, die ganze Zeit, auch wenn man parkt oder ködert. Oder hinter einem herfährt. »Ködern« bedeutet, ein möglichst neues, noch ganz unbeschädigtes, sauberes und glänzendes Auto auf den Mittelstreifen zu lenken, also auf das so genannte »Feld«. Wenn du einen nagelneuen knallroten Zweitürer mit gehisster Spielflagge - Konservendosen an der Stoßstange oder Kindergartenbemalung an den Türen - vor dir herschnurren siehst, musst du schon ein Vollidiot sein, um dem nachzujagen.
    Viele Anfänger tun das natürlich - lassen sich von dem glänzenden roten Lack verführen und scheren aus.
    Alte Hasen, die sich mit dem »Ködern« auskennen, warten erst mal ab und peilen die Lage. Und schon bemerken sie einen Block weit hinter sich die Verfolger, eine breit gefächerte Formation, wie ein Schleppnetz, Teams, die mit dem Köderauto zusammenarbeiten, um Anfänger aus dem Rennen zu werfen. Wenn du das nächste Mal im Verkehrsfunk von auffällig vielen schlechten Fahrern hörst, weißt du Bescheid: Das sind Verfolger, die mit Anfängern Punkte sammeln.
     
    Aus dem Verkehrsfunk von Radio Graphic Traffic: Löwen, Tiger und Bären, du meine Güte! Aber egal, welches Maskottchen Ihr Team mit sich führt, achten Sie an diesem Abend auf Massen von Fußballfans. Scharen von stolzen Eltern fahren an diesem Abend ihren fußballspielenden Nachwuchs mit wehenden Vereinsfahnen durch die Gegend. Jetzt geht's los! An der Nordseite des Post Circle erwartet Sie ein Auffahrunfall mit sechs beteiligten Autos. Schwer zu sagen, wer da gewonnen hat, aber es scheint sich durchweg um Amateurteams zu handeln. Keine Verletzten, aber die Überwachungskameras zeigen eine Menge Leute, die auf dem Pannenstreifen hektisch debattieren.
     
    Echo Lawrence: Wenn Sie das nächste Mal an einem echt üblen Auffahrunfall vorbeikommen, können Sie vielleicht, wenn Sie schnell genug sind, weit vorne den immer noch blitzsauberen roten Flitzer um eine Ecke verschwinden sehen.
     
    Tina Something: Wenn wir andere nur ganz leicht anstoßen, nennen wir das »flirten«. Da stupst man bloß jemanden von hinten mit dem Kotflügel an. Und wenn der andere dich gut findet, wenn du ihm gefällst, wird er versuchen, dich zu jagen. Die meisten machen bei solchen Crash-Partys mit, weil sie Kontakt suchen. Man lernt dabei wirklich viele Leute kennen und kann stundenlang mit ihnen Geschichten austauschen. Sicher, man könnte auch zu Hause bleiben, aber selbst wenn man einen Party-Peak boostet, am Ende hat man die Nacht trotzdem allein verbracht.
    Auch die Crash-Partys können langweilig werden, wenn man einfach kein anderes Team mit der Spielflagge findet, aber wenigstens langweilt man sich gemeinsam. Das ist wie eine Familie.
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms (

Historiker): Crash-Partys finden hauptsächlich bei Personen Anklang, für die bürgerliches Wohlstandsdenken keine Bedeutung hat, entweder weil sie zu arm

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