Das Kainsmal
sage immer, wenn man schon Leben aus zweiter Hand verkauft, dann sollte wenigstens die Qualität stimmen.
Ich sage immer, diese zweiundsiebzig Stunden sind aus dem Leben eines anderen. Wer das boostet, verpasst einen Teil seines eigenen Lebens, also sollte es schon was Anständiges sein. Aber was wirklich Anständiges, Mann. Wenn schon irgendein Blödmann seine Zeit dafür hergibt, sollte man ihm die Zugfahrt schon ein bisschen versüßen und den ganzen Mist vorher durch ein Playboy-Bunny auf Heroin laufen lassen. Oder wenigstens Morphium. Und wenn dann diese bescheuerten langweiligen Berge an einem vorbeiziehen, kann man, zugedröhnt mit Opiaten, an den prächtig strammen Titten rumspielen, die man sein Eigen nennt. Will jemand seinem alten Herrn ein schönes Geschenk zum Vatertag machen, dann wäre das meine Empfehlung.
Im Studium, nachdem sämtliche Filmhochschulen und Studios auf Neurotranskripte umgeschwenkt waren, habe ich meine besten Sachen mit Junkies als Durchlaufstationen gemacht. Wenn du an einem Transkriptionsseminar teilnimmst, lungern da immer irgendwelche Fixer rum, die bereit sind, gegen Bares die Arbeiten der Studenten aufzupeppen. Oder Speedfreaks, die sich zur Verfügung stellen, wenn du einen langweiligen Track tempomäßig verschärfen willst. Wenn du ein bisschen Weichspüler brauchst, schnapp dir einen Kokser und lass deinen fertigen Mix durch ihn durchlaufen, das nimmt ihm die Ecken und Kanten. Das perfekte Damping.
In den Seminaren an der Transkriptionsschule werden stichprobenartig Urintests durchgeführt. Das ist der Grund, warum man für das eigentliche Boosting Außenstehende benutzt. Wer hunderttausend Dollar investiert, um sein Examen in Neurotranskription zu machen, will schließlich nicht wegen einer positiv getesteten Urinprobe von der Schule fliegen. Bevor man irgendwelche Neurodateien für die Industrie bearbeiten kann, muss man erst einmal lernen, welche Peaks überhaupt bei den Käufern ankommen. W 7 ie man den richtigen primären Teilnehmer auswählt. Und wie man dessen Transkript strukturiert. Ob es sich nun um ein Sechzehn-Gänge-Menü handelt oder einen Flug im Heißluftballon über Holland, man muss in regelmäßigen Abständen was Interessantes einbauen. Gleichzeitig darf man von nichts abgelenkt werden. Handelt es sich um das Transkript von einem, der den Ärmelkanal durchschwimmt, will man natürlich von Wadenkrämpfen oder Kopfschmerzen gepiesackt werden. Abendfüllende Kopfschmerzen? Wer kauft denn so was? Kopfschmerzen, selbst wenn man sie durch einen OxyContin-Rausch boostet, lassen sich praktisch unmöglich aus der Tastspur herausfiltern. Glauben Sie mir.
Wer mit Peaks sein Geld verdienen will, sollte sich auf den Massenmarkt konzentrieren - also, Peaks boosten, wo man dauernd Coca-Cola trinkt und in Nike-Klamotten rumläuft, wo ständig Logos und Markennamen zu sehen sind. Wo man Sachen futtert, die so unglaublich schmecken, die einem so sehr das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, dass die Geschmacksspur nur durch einen halbverhungerten Kralbewohner in irgendeinem gottverlassenen Winkel der Erde gelaufen sein kann.
Verrückt. Aber für Reis und Dosenmilch im Wert von fünfzig Dollar wird da die komplette Geschmacksspur durch so viele halbverhungerte Gestalten gejagt, dass man es am Ende kaum ohne Unterbrechung aushält. Man springt auf und muss sich unbedingt eine Flasche Wasser kaufen. Einen Doughnut. Einen Hamburger. Eine Flasche »Old Spiee«-Aftershave.
Auf der Transkriptionsschule lernt man alles über effektives »Pacing«. Man will den Kunden ja schließlich nicht überfordern. Man studiert die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Produktionsrichtlinien und die Kriterien für die Altersfreigabe. Was unterscheidet ein »ohne Altersbeschränkung« freigegebenes Transkript von einem »frei ab zwölf Jahren« oder »frei ab achtzehn Jahren«? Die Einstufung wird nach körperlichen Reaktionen vorgenommen, wozu Elektrolytgleichgewicht und Hormonspiegel, Puls- und Atemfrequenz eines Testpublikums herangezogen werden. Eine gute Methode, einen Peak zu dampen - sagen wir, von »frei ab achtzehn Jahren« auf »frei ab zwölf Jahren, Begleitung eines Erwachsenen empfohlen« -, ist die, dass man ihn durch einen Gewohnheitskiffer laufen lässt. Das wirkt garantiert.
Fürs Examen musste jeder von uns ein abendfüllendes Peak-Transkript produzieren. Ich hatte ein phantastisches Konzept für meine Abschlussarbeit. Immerhin ging es um drei bis sechs Stunden sensorisches
Weitere Kostenlose Bücher