Das kalte Gift der Rache
Gabriel nie und nimmer kommen.
Uriel eilte den Gang entlang in die Höhle, konnte aber Gabriel nirgendwo sehen. Etwas hier kam ihm unheimlich vor, so ganz anders als neulich, als er mit seiner Freundin hier gewesen war.
Dann wurde Uriel urplötzlich von hinten angegriffen und zu Boden geworfen. Es war Gabriel, und Uriel versuchte mit aller Kraft, ihn abzuwehren, aber Gabriel war rasend vor Wut und kämpfte wie ein Irrer. Sie wälzten sich auf dem Boden, bis Gabriel ihn unter sich festgenagelt hatte. Mit geballter Faust schlug er Uriel gegen den Kopf, dass dieser einen Moment lang wie bewusstlos war. Uriel starrte seinen Freund und Beschützer fassungslos an, geschockt und entsetzt angesichts der blanken Wut, die er in Gabriels Augen sah. Gabriels Gesicht glühte, und als er sprach, zischte er leise und scharf.
»Du hast diese kleine Schlampe hier heruntergebracht, du Bastard. In unsere Höhle, unser geheimes Versteck, das nur wir kennen. Ich hab gedacht, ich könnte dir vertrauen, aber nun hast du alles kaputtgemacht. Du dummer kleiner Idiot, kapierst du das nicht? Es kommt der Tag, da hat sie genug von dir und geht zur Polizei. Wir landen im Knast, beide, und du allein bist schuld daran. Wie konntest du mir das antun! Ich hab dir vertraut!«
»Nein, das stimmt alles nicht, ich hab sie nicht mitgenommen. Ich schwöre es.«
»Lügner! Ich hab dich gesehen. Ich wusste doch, dass du dich mit ihr triffst und mir alles verheimlichst. Da war gar keine Konferenz in Columbia. Ich war hier. Ich hab dich gesehen, wie du sie in unseren geheimen Schlupfwinkel gebracht hast, wie du sie gevögelt hast. Und dafür muss sie jetzt sterben.«
Uriel lag regungslos da und starrte in Gabriels irres Gesicht. »Nein. Tu das nicht, Gabriel. Ich liebe sie. Es gibt keinen Grund für dich, eifersüchtig zu sein. Ich liebe dich auch. Du bist mein Blutsbruder, du wirst immer der wichtigste Mensch in meinem Leben sein.« Uriel spürte, wie ihm die Tränen kamen und in den Augen brannten. »Bitte, nimm sie mir nicht weg. Ich tu alles, was du sagst, alles, wenn du sie mir nicht wegnimmst.«
»Nein und nochmals nein! Wir haben einen Pakt geschlossen, dass Frauen tabu sind. Und falls es doch mal dazu kommt, muss sie danach sterben. Ich hab mich immer an unsere Vereinbarung gehalten. Jetzt bist du dran. Du hättest sie nicht mit herunterbringen dürfen. Sie wird sterben, und du wirst es selbst tun.«
Uriel wehrte sich gegen den Würgegriff an seinem Hals und weinte ununterbrochen. »Nein, nein, ich bitte dich, Gabriel …«
»Hör auf, rumzuheulen, Uriel, hörst du mich? Halt dein verdammtes Maul und hör mir zu. Du gehst jetzt sofort zu ihr und bringst sie in mein Haus. Sag, dass ich sie kennenlernen will, dass ich euch beiden meinen Segen gegeben habe, sag ihr zum Teufel noch mal, was immer du willst. Hauptsache du schaffst sie her, und dann wirst du sie vor meinen Augen töten. Verstanden? Wie du’s machst, ist mir egal, aber sie wird noch heute Abend sterben. Verstehst du mich? Verstehst du? Das ist die Strafe dafür, dass du gegen unsere Vereinbarung verstoßen hast.«
Uriel gab sich geschlagen und nickte, konnte aber nicht aufhören, zu schluchzen.
»Wenn du es nicht tust, Uriel, dann tu’s ich. Kapiert? Ich werd sie flachlegen, und dann steck ich sie zusammen mit ein paar Witwen in einen Schlafsack und sehe ihr dabei zu, wie sie einen grausigen, quälend langsamen Tod stirbt.«
Gabriel stieg von Uriel herunter und zerrte ihn hoch, indem er ihn vorne am Hemd packte. Er schubste ihn in Richtung Tunnel. »Jetzt sieh zu, dass du sie in mein Haus schaffst, aber beeil dich. Ich muss morgen arbeiten. Das ist deine Schuld, Uriel! Wie konntest du nur so dumm sein?«
Uriel gehorchte, aber als er zu seiner Freundin nach Hause fuhr, konnte er vor lauter Tränen kaum die Straße vor sich sehen. Er konnte sie nicht umbringen. Dazu liebte er sie viel zu sehr. Aber konnte er sich vorstellen, Gabriel zu verlieren? Gabriel bedeutete ihm alles, schon seit jeher. Und wenn er es nicht tun würde, dann würde Gabriel sie töten.
Vor dem Haus seiner Freundin blieb er im Auto sitzen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann stieg er aus, ging den Gehsteig entlang und klopfte an ihrer Tür. Sein Herz tat ihm weh, und er hasste sich für das, was er vorhatte.
Es war einige Zeit verstrichen, als Uriel seine Freundin am Arm nahm und sie die Treppe hinauf zu Gabriels Haustür führte. Er fühlte sich schlecht bis auf den Grund seines Herzens. Sie
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