Das kalte Gift der Rache
allein in den Himmel befördern?«
Uriel sah auf das rote Gesicht des Mannes, die grauen Koteletten und die Art, wie er sabberte. Auf seinem Hemd klebten Krusten von Erbrochenem, und aus seiner Nase kam Rotz. Er würde sowieso sterben. Es gab gnädige Engel, die ihn von seinem Leid und seinen Schmerzen erlösen konnten. Und Uriel würde sein Blut zu sehen bekommen, alles.
»Okay. Zeig mir, wo ich aufschlitzen soll.«
»Ich hab mich auf die Sache vorbereitet. Mit Büchern, die ich in der Klinik gefunden habe. Und im letzten Semester hatte ich eine Eins in Biologie. Du musst wissen, es gibt eine Schlagader am Hals. Genau hier.« Gabriel drückte den Kopf des Alten mit dem Zeigefinger zur Seite und zeigte auf die Stelle am Hals. »Genau da. Aber es spritzt wirklich weit, wenn du hier schneidest, weil es nah am Herzen ist. Und das pumpt weiter, bis er tot ist. Es wird also eine ziemliche Sauerei. Das sollten wir uns besser für ein anderes Mal aufsparen, wenn wir draußen sind und nicht in der Höhle. Hier müssten wir nur alles wieder sauber machen.«
»Okay.«
»Lass uns doch nur seine Pulsadern aufschneiden. Ich habe eine Stoppuhr. Mal sehen, wie lange es dauert, bist er aufhört zu atmen.«
Uriel nahm das Skalpell und überprüfte es an seinen Fingern. Es war schärfer als jedes ihrer Messer. Gabriel nahm das rechte Handgelenk des Mannes und legte es auf seinen Bauch. »Schau nur, wie seine Adern hervorstehen. So ist das bei alten Leuten. Die schneidest du jetzt durch. Aber geh auch tief genug. Ich muss um acht zur Chorprobe in der Kirche sein, und Dad rastet aus, wenn ich wieder zu spät komme.«
»Sollten wir nicht zuvor ein Gebet sprechen, Gabriel? Damit die Engel auch wissen, dass sie herunterkommen und ihn holen sollen, und damit Gott ihn erwartet.«
»Gute Idee. Nehmen wir uns an der Hand.«
Sie verschränkten die Hände, und Gabriel betete für die Seele des Mannes, und dass Gott sich seiner erbarmen möge. Sie, die Gnadenengel, schickten ihn nach Hause zum Herrn, damit sein Leid ein Ende habe.
»Amen«, sagte Uriel. Dann nahm er das Skalpell und machte einen tiefen vertikalen Schnitt auf der Innenseite des entblößten Handgelenks. Der alte Mann zuckte leicht und stöhnte. Uriel legte die Hand auf den Wannenboden und griff dann nach der anderen. Er ging genauso vor, aber dieses Mal musste er die scharfe Klinge zweimal entlangführen. Dann nahmen er und Gabriel auf Klappstühlen Platz, die sie in der Kirche gestohlen hatten, aßen Kartoffelchips und tranken Limonade und sahen zu, wie sich die Wanne mit Blut füllte.
16
Bud und ich verbrachten den Nachmittag draußen in der Schule, konnten dort aber zunächst nicht viel erreichen. Alle waren nur geschockt über den Tod von Christie Foxworthy, und nicht wenige zeigten es auch. Sie war kein allgemeines Hassobjekt gewesen. Gegen fünf Uhr fuhren wir wieder ab, worauf ich mich in mein Büro zurückzog, um Berichte zu schreiben und darüber nachzudenken, welche Beziehung Classon und Christie Foxwor thy zueinander gehabt hatten, die sie beide zum Mordopfer werden ließ.
Um halb sieben fuhr ich nach Hause. Es hatte noch nicht aufgehört zu schneien, und die Straßen waren etwas glatt, aber nicht schlimm. Man kam durch. Bei Harve machte ich kurz halt, um Milch und Eier vorbeizubringen, die er bestellt hatte. Er war mit einem der Persönlichkeitsprofile beschäftigt, die er erstellte, und so fuhr ich gleich weiter nach Hause. Natürlich brannte kein Licht bei mir, ein dunkles, nicht sehr einladendes Zuhause. Ich drückte auf den Schalter für das Garagentor, und es glitt sacht nach oben.
Nachdem ich das Auto abgestellt hatte und ins Haus gegangen war, sah ich mich erst einmal um. Wirklich hübsch, mein neues Zuhause, und hübsch leer. Ich hörte meinen Anrufbeantworter ab. Keine Nachricht von Black, aber er hätte mich ohnehin auf dem Handy angerufen. Dann warf ich den Parka über eine Stuhllehne und griff nach der riesigen Fernbedienung. Ich knipste den Kamin an und dachte kurz an den Whirlpool, aber darin hätte ich keinen Spaß, nicht mit diesen gruseligen Skorpionszenen, die mir durch den Kopf geisterten. Mein Blick fiel auf den großen Fernseher. Vielleicht könnte ich etwas recherchieren, denn es gab so einiges, was ich über Spinnen und Skorpione wissen wollte.
Ich ging ins Internet und googelte Giftspinnen. Es kamen ungefähr eine Million Treffer. Ich klickte den ersten an und bekam eine nette Großaufnahme einer Spinne, auf die ich gern
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