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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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damit sie Platz machten. Die für Gerins Treck zuständigen Männer waren anscheinend guter Laune – rau, aber herzlich –, als sie die Runde drehten, kalten Eintopf in die flachen Holzschüsseln klatschten, wobei sie sich halbwegs Mühe gaben, auch wirklich zu treffen, und das altbackene Brot austeilten, statt es ihnen bloß zuzuwerfen. Hier und da knurrten sie sogar barsch beschwichtigende Worte, wie man sie einem braven Hund zuteil werden lässt. Gerin führte das auf Barats Abwesenheit zurück – da der Unruhestifter nicht mehr mit in Ketten lag, sondern irgendwo verrottete, wäre es vorbei mit der unwillkommenen Aufmerksamkeit seitens der Aufseher, und das war doch etwas Gutes. Jetzt konnten sie alle, Sklaven und Antreiber gleichermaßen, ganz pragmatisch die Reise friedlich beenden.
    Gerin zwang Brocken des gelatinösen Eintopfs die Kehle hinab und knabberte an einer Kante seines Brots. Er schluckte heftig, keuchte, schluckte erneut und …
    Abrupt würgte er.
    Würgen – zappeln – heftig in seinen Ketten um sich schlagen, sodass sich die Schellen an Hand- und Fußgelenken in die Haut gruben und die Männer um ihn herum voller Panik so weit zurückwichen, wie es ihre Fesseln erlaubten. Das Geschrei wogte hin und her.
    »Was zum …«
    »Pass auf, pass auf, er hat einen An…«
    »Fieber! Es ist das Hustenfieber!«
    »Bringt ihn verdammt noch mal von hier w…«
    »Gift, Gift!«
    »Fass den verdammten Narren nicht an!«
    »Spuck’s aus, Mann. Spuck’s aus, verflucht!«

    Und dann der neue Schrei, das neue Entsetzen. »Besessen, besessen! Der dunkle Hof hat ihn. Hoiran naht! Lasst euch nicht von ihm berühren, er wird die Ketten sprengen wie ein …«
    »Hoiran! Hoiran! Seid demütig, es ist …«
    »Hoiran geht um!«
    »Zurück, weicht zurück …«
    Die Antreiber trafen ein. Gerin erkannte sie kaum, da sein unsteter Blick nur Bruchstücke erfasste, während sein Hals nach vorn und zur Seite zuckte, nach vorn und zur Seite, nach vorn und zur Seite. Speichel sammelte sich in seiner Kehle – er hustete und spuckte ihn verzweifelt aus, spürte, wie er auf seinen Lippen schäumte. Eine schwach erkennbare Gestalt beugte sich über ihn, eine Faust sauste herab, traf ihn aber nicht richtig. Der Hieb prallte von der Seite seines Kopfs ab. Sein Rückgrat bog sich durch, er stieß ein Knurren aus, tief in der Kehle. Ein zweiter Antreiber trat zum ersten.
    »Nicht so, du verdammtes Arschloch! Pack ihn am …«
    »Ja, versuch du es doch mal, du …«
    »Halt ihn bloß ruhig, ja!«
    Jemand setzte sich breitbeinig auf Gerin und versuchte, ihn an den Armen festzuhalten. Er glaubte, das Gesicht des Antreibers von den vergangenen Tagen wiederzuerkennen – ergrauendes, zurückweichendes Haar unter einer gestrickten Wollmütze, die Stirn gerunzelt und Besorgnis in den Augen. Seitlich hinter ihm sah ein weiteres, jüngeres, wütenderes Gesicht herab. Tief im Anfall und schäumend, erhaschte Gerin einen Blick darauf, wie der zweite Mann eine Faust hob, in der ein Schlagring metallisch glänzte. Erkannte, wie sorgfältig der Antreiber den Winkel abschätzte, in dem er zuschlagen wollte. Der Hieb würde ihm gewiss das Gesicht zerschmettern.
    Etwas Dünnes und Glitzerndes flog peitschenartig hinauf in
die Nachtluft und fiel über dem Kopf des jüngeren Mannes wieder herab. Gerin wusste, dass es eine Kette war. Er streifte das Zucken – dank langer Übung am Strovmarkt – ab wie einen Mantel, stemmte sich wütend gegen den Griff auf seine Arme, fuhr hoch und schmiegte sich an den Hals des älteren Antreibers wie ein Liebhaber.
    Er biss tief zu und ließ nicht los.
    Aufjaulend versuchte der Antreiber, ihn herabzuschlagen. Der stahlbeladene Hieb des jüngeren Mannes ging fehl und traf seinen zappelnden Gefährten an der Schulter. Dann straffte sich die Kette und riss ihn zurück, sodass er wegrollte. Gerin schloss die Kiefer am Hals des älteren Mannes und schlang die Arme um ihn. Die anderen Sklaven des Zugs scharten sich um sie, und nun konnte der Antreiber nicht fliehen. Er stolperte jammernd umher, wollte sich mit den Ellbogen einen Weg bahnen. Schlug wild mit den Armen um sich, um Gerin loszuwerden. Inmitten des Durcheinanders bekam er einen Hieb auf den kahl werdenden Kopf, sodass sich die Wollmütze verschob, und dann war sie völlig verschwunden. Gerin ritt auf dem verzweifelt kämpfenden Mann, spürte, dass seine Nase von einem zufälligen Schlag blutete, achtete nicht weiter darauf, sondern bohrte und

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