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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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haben uns dazu gezwungen, sie im Stich zu lassen.«
    Einen Augenblick lang stand er wie eine Statue zwischen seinen beiden gefallenen Gegnern. Er sah sich in dem flackernden Fackelschein um, als würde er gerade erwachen.

    Der zweite der bewaffneten Antreiber lag hinter ihm, den Kopf zur Seite gedreht, der Schädel zertrümmert. Der erste stützte sich auf die Knie und einen zitternden Arm und versuchte, das zerschmetterte Gesicht mit der anderen Hand zusammenzuhalten. Weinend, faselnd. Der Veteran entdeckte das Schwert des Mannes, knurrte und ließ den Bolzenschneider fallen. Er hob das Schwert auf, schwang es einige Male, nahm es dann in beide Hände, fuhr rasend schnell herum und ließ es auf den Hals des verwundeten Antreibers herabsausen. Ein ganz passabler Henkerstreich  – die Klinge zerteilte das Rückgrat und den größten Teil des Halses und warf den Mann flach zu Boden. Der Veteran spannte seine Muskeln an, zog die Klinge mit geübter Präzision wieder heraus und blickte einen Moment lang auf sein zerstörerisches Werk.
    »Wir haben sie noch meilenweit hinter uns schreien hören«, sagte er zu dem Leichnam des Mannes.
    Weitere Schreie, etwas sauste durch die Nachtluft, ein wildes, abgerissenes Gekreisch. Der Veteran schaute sich um und entdeckte den nächsten Antreiber, der einen Morgenstern an seiner Kette schwang. Wie in Trance wich der Veteran dem Hieb einfach aus. Die Waffe kam herab und bohrte sich in den grasigen Boden. Dann trat der Veteran nahe heran, wie ein frisch Vermählter an seine Braut, und schwang das Schwert auf Bauchhöhe, während der Antreiber sich abmühte, die stachelige Eisenkugel wieder aus der Erde zu ziehen.
    »Einige haben uns verflucht«, knurrte er im Zuschlagen.
    Der Antreiber schrie, als der Stahl durch das Lederwams in das ungeschützte Fleisch darunter schnitt. Der Veteran zog durch, und die Klinge glitt unter den Rippen des Mannes am Rücken wieder hervor.
    »Einige«, sagte er im Plauderton, »haben einfach geweint.«

    Hinter dem zusammengebrochenen Wrack des Mannes, den er gerade ausgeweidet hatte, sah er sich drei weiteren Gestalten mit Fackeln und Stahl gegenüber. Sie hielten sich jetzt zurück, da sie die Leichen ihrer Kameraden über den Boden verstreut entdeckt und erkannt hatten, dass hier etwas Ernsthaftes vor sich ging. Glotzend drängten sie sich eng zusammen.
    Aber hinter ihnen kamen weitere.
    Der Veteran packte sein Schwert wieder fest, richtete es auf die Antreiber und ruckte mit dem Kopf – eine Aufforderung, heranzukommen. Im Fackelschein wurde er hinter seiner Klinge von zuckenden Schatten überzogen und seine Gestalt wirkte gewaltig.
    Auf seinem vernarbten und verwüsteten Gesicht lag ein Grinsen.
    »Sehe ich etwa wie ein verdammter Sklave aus?«, fragte er sie.
    Und obwohl sie ihn schließlich durch die schiere Anzahl überwältigten, erlebte keiner derjenigen, die ihn diese Frage hatten stellen hören, die Morgendämmerung.

4
    In einer Ecke des Innenhofs stand ein Baum aus einer Eisenlegierung. Es war spät am Nachmittag, und das Sonnenlicht glitzerte auf der knorrigen metallenen Borke. Wie verschüttete Tinte rannen scharfe schwarze Schatten vom Stamm weg, verzweigten sich dann zu Flüsschen und breiteten sich über das steinerne Pflaster aus, als suchten sie etwas. Am anderen Ende des Innenhofs, weit außer Reichweite, saß Archeth auf dem Boden  – die Beine in den Stiefeln vor sich aufgestützt, die Wärme der sonnenüberfluteten Mauer im Rücken – und beobachtete, wie die Schattenflüsschen auf sie zukrochen. Sie biss in einen Apfel, den sie gerade von einem anderen Baum in einem anderen Hof gepflückt hatte, einem Baum, der Menschen vielleicht nicht ganz so verstört hätte.
    Nichts wächst in An-Monal, flüsterten die Abergläubischen in Yhelteth wie der Wind. Nichts lebt dort.
    Wie die meisten Dinge, an die Menschen glaubten, stimmte das nicht ganz. Der Baum aus der Eisenlegierung war nicht im üblichen Sinn lebendig, schon wahr, aber jedes Jahr rosteten die blau-schwarzen Blätter, die er zum Himmel hob, beim Nahen des Winters durch, wurden fleckig und zeigten zunächst ein purpurfarbenes Rot, dann ein blasses Orange und schließlich ein silbriges Weiß, das im Wind zerbröckelte und zu glitzernder
Asche zerfiel. Und dann, in jedem Frühling, schlüpften die Blätter wieder aus der Borkenlegierung wie winzige Klingen, die aus der Scheide glitten, wie ein Blatt Karten, das der Gewinner eines Spiels auf dem Tisch ausbreitete.
    Der

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