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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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lediglich betäubt zu Boden.
    Unterdessen war derjenige, den er mit dem Gesicht voran gegen den Baum gerammt hatte, immer noch auf den Beinen. Das Blut strömte ihm aus der gebrochenen Nase, und er hatte gleichfalls den Entschluss gefasst, es sei an der Zeit, den Stahl zu zücken. Er brachte das Schwert eine Handbreit aus seiner Scheide, und dann trat ihm der Drachentöter die Beine unter dem Leib weg. Plötzlich ging er zu Boden. Egar kam heran und versetzte ihm einen Tritt gegen den Kopf. Das reichte anscheinend aus.
    Hinter ihm kreischte nach wie vor der Hüter, umgeben von seinen Roben, und trat um sich wie eine Art gestrandeter Mantarochen. Eine interessierte Menge formte sich. Egar blickte die
Straße auf und ab, ob Verstärkung käme, sah keine, positionierte sich sorgfältig und trat der Gestalt hart in den Magen. Das Gekreisch wich einem abgerissenen Würgen. Egar brachte einen weiteren harten Tritt an, diesmal höher, und spürte einige Rippen unter seinem Stiefel brechen. Dann kauerte er sich neben den Hüter, packte ihn an der Kehle und zog ihn nahe zu sich heran.
    »Sieh mal da rauf!«, sagte er düster und riss nachdrücklich den Kopf des Mannes hoch. »Gib acht, weil ich dir das nur einmal sage! Siehst du dieses Fenster? Zweiter Stock, drittes über dem Bogen? Das ist mein Zimmer. Es blickt direkt auf die Straße, genau hierher. Nun ist mir die Vorgeschichte von deinen Leuten und der Dame dieses Hauses bekannt, aber das hier sage ich dir: Sie ist mir scheißegal. Und noch wichtiger: Ich möchte nicht aus diesem Fenster blicken und sehen müssen, wie dein verdammtes finsteres Gesicht mir die Aussicht versaut. Kapiert?«
    Knurren durch zusammengebissene Zähne. »Ich habe ein gottgewolltes Recht …«
    Egar schlug dem Mann den restlichen Satz aus dem Mund.
    »Wir debattieren hier keine Rechte, mein Freund. Sehe ich etwa wie ein Anwalt aus? Wir sprechen hier über eine höfliche und vernünftige persönliche Forderung, die ich stelle, an dich und alle deine bärtigen Kumpels. Haltet euch verdammt noch eins von diesem Haus fern! Sag das deinem Menkarak, sorge dafür, dass er die Nachricht weiter verbreitet. Weil ich mich gezwungen sehe, jedem, der die Botschaft nicht kapiert, wehzutun, wahrscheinlich sehr schlimm! Und wenn du jemals hierher zurückkommst.« Der Drachentöter bohrte dem Hüter den Zeigefinger unter das Kinn und hob das Gesicht näher zu sich. Sah ihm in die Augen, damit es auch hängenblieb. »Na ja, dann murkse ich dich ab. In Ordnung?«

    Dem Gesicht des Mannes nach zu urteilen, war die Botschaft angekommen.
    Er stand auf und betrachtete die gestürzten, zuckenden Leiber und die glotzende Menge, die sich versammelt hatte.
    »Die Vorstellung ist vorüber«, sagte er brüsk. »Hier gibt’s nichts zu sehen.«
    Und da war es, etwas in den Worten, als er sie ansprach, ein Echo des schwer fassbaren Gefühls, das er den ganzen Tag über mit sich herumgetragen hatte – das jetzt aus den Schatten glitt und Gestalt annahm.
    Langeweile, erkannte er leicht erschrocken. Drachentöter – du langweilst dich.

3
    Später, als das Band nur noch gedämpft von einem Himmel schien, der sich immer weiter zuzog, und das letzte Licht des Tages zu einem orangefarbenen Glanz über den Bäumen im Westen verblasste, ließen die Antreiber Lagerfeuer errichten. Fünfunddreißig Sklaventrecks drängten sich in dem tief liegenden offenen Gelände gegen die zunehmende Kühle der Nacht aneinander. Gerin sah in unregelmäßigen Abständen die Feuer flackern und zählte – vier, nein, fünf bei den Sklaven und noch eines, ein kleineres, weiter draußen, wo die Aufseher ihre Zelte errichteten. Keines nahe genug, um mehr als einen schwachen Schein auf die Männer in seinem Treck zu werfen – hier und da ein Schimmer auf einigen wenigen blassen städtischen Gesichtern wie das von Tigeth oder ein unheimliches Glitzern in einem Auge, welches das Licht einfing, wenn jemand den Kopf drehte. Zumeist jedoch bildeten die Sklaven eine ungeordnete, diffuse Masse aus Schatten in der Düsternis.
    In Gerins Hals kratzte es, und seine Augen tränten. Auf einmal fühlte er sich absurd schwach.
    Er rang das Gefühl nieder. Keine Zeit jetzt für so was.
    Diejenigen Antreiber, die nicht mit den Feuern beschäftigt waren, begaben sich an die langwierige Aufgabe, ihren Schützlingen etwas zu essen und zu trinken zu geben. Allein oder zu
zweit gingen sie unter den Sklaven einher und versetzten ihnen gelegentlich einen Tritt oder Hieb,

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