Das kalte Schwert
ins Schwarze starrend. Oder vielleicht bereits von der Strömung oder etwas anderem, mit mehr Zähnen und zielstrebiger, in das kalte Düster davongetragen worden war.
Dresh Alannor. Sohn von Trelayne, Adeliger aus den Niederungen, Kommandant.
Um seine Schultern lag eine Kühle wie von einem nassen Handtuch.
»Ich habe über Eure Worte nachgedacht.« Jäh stand Quilien neben ihm in dem bleichen Bandlicht. Das dunkle Haar hing lose herab und verbarg dadurch ihr Profil. Irgendwie hatte er sie nicht herankommen hören. »Warum der dunkle Hof sich überhaupt mit den belanglosen Affären an Bord eines kleinen Schiffs beschäftigen sollte. Mit dem Schicksal des Kapitäns dieses kleinen Schiffs.«
»Wirklich, Mylady?«
Er hörte nicht richtig zu. Der größte Teil seiner Aufmerksamkeit galt der Mannschaft, die rings um ihn her verdrossen ihrer Arbeit nachging. Der erste Maat hatte sie ziemlich fest an der Leine, trotzdem pulsierte eine greifbare Wut in der Luft an Bord des Schiffs. Alannor war beliebt gewesen. Ringil überlegte, dass er von nun an des Nachts sehr vorsichtig übers Deck gehen sollte. Er dachte, er solle Lady Quilien warnen, ähnliche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
»Ich …«
»Ja, der Irrtum läge gewiss darin, in einem solchen Verhalten einen einzigartigen Akt zu sehen, ohne jegliche Beziehung zu einer größeren Tapisserie von Ereignissen jenseits einer Geschichte am Lagerfeuer. Aber ist es nicht wahrscheinlicher, dass ein solcher Kapitän tatsächlich als Bauernopfer auf einem größeren Schachbrett dienen könnte? Ein Bauer in einem Spiel, das die Edlen des dunklen Hofs gern spielen.«
Das war eine dermaßen abgedroschene Idee, dass er sie fast aufgelacht hätte.
»So was habe ich schon früher gehört, Mylady. Zahllose Male. Als These hat es mich nie sonderlich beeindruckt. Warum würden derart uralte, mächtige Wesen sich mit etwas derart
Banalem wie einem Schachspiel zwischen Menschen beschäftigen?«
Da beugte sie sich über die Reling, sodass der Wind ihr das unbedeckte Haar zauste und ein Lächeln darunter auftauchte, das merkwürdig wölfisch wurde.
»Na ja«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Vielleicht ist das Spiel selbst so uralt, dass sie vergessen haben, etwas anderes zu tun. Vielleicht ist es in ihre sämtlichen Erinnerungen verwoben, in die Fasern ihres Wesens, und sie werden die Gewohnheit einfach nicht los. Vielleicht haben sie, trotz ihres Alters und ihrer Macht, einfach nichts anderes.«
Sie neigte ihm das grinsende Gesicht in der dunklen Brise entgegen. Hob leicht die Stimme.
»Es muss schließlich schwer fallen, etwas aufzugeben, wenn man darin so gut ist. Meint Ihr nicht?«
Und er verspürte ein winziges, schleichendes Unbehagen, denn er hatte den Eindruck, dass ihr Blick bei diesen Worten weniger ihm als dem Schwert auf seinem Rücken galt.
28
Gleich nach Sonnenaufgang begab sie sich zu Shanta.
Der Marineingenieur war ein Gewohnheitstier. Sie fand ihn genau dort, wo sie ihn zu dieser Stunde erwartet hatte: beim Teetrinken unter einer Markise auf dem Oberdeck seines luxuriösen Hausboots. Der Leibwächter an der Gangway, ein Söldner, gewährte ihr mit einem Nicken Zutritt – sie kam regelmäßig und war sowieso auf Grund ihrer Hautfarbe und der fremdartigen Distanz im Blick unverwechselbar –, und ein Sklave in Livree geleitete sie durch die pyramidenartig angelegten Ebenen des Boots. Weitere Sklaven standen auf der oberen Galerie in Bereitschaft – Türen mit Holzpanelen wurden unter großem Zeremoniell zurückgezogen, und man bat sie aufs Deck. Dort saß Shanta unter der Markise inmitten von Teppichen und Kissen, umgeben von geleerten Platten mit Confiserie, Brot und Ölen. Neben ihm stand ein großer Samowar, und auf dem Schoß hatte er ein aufgeschlagenes Buch. Er blickte auf und lächelte bei ihrem Anblick. Sie schenkte ihm ihrerseits ein dünnes Lächeln. Wartete ab, bis sie formell angekündigt worden war und der Sklave sich zurückgezogen hatte.
»Mylady Archeth, was für eine angenehme Überraschung!« Shanta winkte sie zu einem Kissen gleich neben seinem. »Wie schön, Euch so bald wiederzusehen. Möchtet Ihr Tee?«
Sie stolzierte heran. »Was für ein Spiel treibt Ihr da, verdammt, Mahmal?«
»Ich?« Er wirkte aufrichtig verblüfft.
»Seht Ihr sonst einen tattrigen Schwachkopf in der Nähe?« Wütend stand sie vor ihm. Vollführte eine weite Geste über das leere Deck. »Oh. Wahrscheinlich nicht. Dann muss ich wohl Euch meinen. Also müsst
Weitere Kostenlose Bücher