Das kalte Schwert
Ihr es gewesen sein, den ich eine halbe Nacht lang vor einer baldigen Verfütterung an die verdammten Oktopoden zu bewahren versuchte!«
»Aha.« Gravitätisch. »Verstehe.«
»Wirklich? Versteht Ihr wirklich?« Sie trat das Kissen über das Deck davon. »Wart Ihr jemals bei einer dieser Exekutionen dabei, Mahmal?«
Sie wusste, dass er noch nie dabei gewesen war. Akal hatte für seine Feinde immer den sauberen Schlag der Axt bevorzugt: Die Hinrichtungsbretter im geheimen Besprechungsraum waren eine Erfindung von Sabal II. gewesen, erst jetzt wieder eingesetzt von Jhiral nach dem Tod seines Vaters. Und seit der Thronbesteigung hatte sich Shanta weitgehend zurückgezogen, zunächst aus Trauer um seinen alten Freund; und nachdem diese Ausrede untragbar geworden war, hatte er Alter und dringliche Arbeit vorgeschoben.
»Ich fürchte, ich bin dieser Tage nicht häufig bei Hofe. Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Zeuge zu sein, wie Yhelteth ins Zeitalter der Moderne voranschreitet.«
Sie glaubte, ein ganz schwaches Zittern in den Worten zu entdecken; in diesem Fall war es jedoch überlagert von verbindlicher höfischer Ausgeglichenheit.
Und, dachte sie, es hätte ebenso leicht unterdrückte Wut wie Furcht sein können.
Sie bezwang ihre eigene Wut. Ging zur Steuerbordreling und
schaute übers Wasser hinaus. Auf der anderen Seite der Mündung fuhr ein Fischerboot, das im böigen Wind heftig krängte, auf das Meer hinaus.
Ich kenne das Gefühl.
Sie versuchte es mit tonlosem Gleichmut.
»Das ist nicht gut, Mahmal. Sanagh hat Euch unter der Befragung preisgegeben. Euch und anscheinend die halbe Gilde der Schiffsbauer.« Sie sah sich nach ihm um. »Ich meine, wann bekommt Ihr das eigentlich mal in Eure verdammten Schädel? Die Pferdestämme haben Euch in den Arsch getreten. Es wird keine ruhmreiche Auferstehung der Küstenkulturen geben. Das ist vorbei. Der Ewige Thron ist gegenwärtig unsere beste Möglichkeit, die Welt zu zivilisieren.«
»Es ist nicht der Ewige Thron, mit dem ich im Streit liege.«
Die relativierenden Worte hingen unausgesprochen in der Luft. Sie ertappte sich dabei, reflexhaft das Deck auf Lauscher zu überprüfen.
Sie kehrte zu ihm zurück. Hockte sich dicht vor ihn.
»Er ist ein Mensch, Mahmal. Er wird leben, und er wird sterben – genau wie sein Vater, genau wie sein Großvater. Und ich erinnere mich an alle – vergesst das nicht. Bis zurück zu Sabal, dem Eroberer, und der war ein absolutes Arschloch. Es geht nicht um sie. Es geht um das, was sie errichten.«
»Das ist eine bewundernswerte kiriathische Perspektive, Mylady.« Shanta schloss das Buch auf seinem Schoß, beugte sich zu dem Samowar hinüber und füllte sein Glas neu. »Ihr werdet mir vergeben, wenn ich, als bloßer Sterblicher, weniger geneigt bin, auf lange Sicht zu denken. Betan Sanagh war ein Freund.«
»Dann müsst Ihr Euch Eure Freunde etwas sorgfältiger aussuchen« , fauchte sie.
Diese Worte standen eine Weile zwischen ihnen, während er sich am Samowar zu schaffen machte. Sorgfältig legte er das Buch zur Seite und mied dabei ihren Blick. Er hielt das Glas Tee geziert in beiden Händen, den Kopf über das dampfende Getränk geneigt wie ein Wahrsager, der die Zukunft für einen schwierigen Kunden vorhersagte.
»Nun gut«, sagte er milde. »Ich werde mir den Ratschlag Eurer Ladyschaft angemessen durch den Kopf gehen lassen.«
»Ja – tut das! Weil ich die Kastanien nicht mehr für Euch aus dem Feuer holen kann, wenn Ihr das wieder vermasselt.«
Er blickte auf. »Ich bin dankbar für Eure Intervention, Archeth.«
»Klingt nicht sehr danach«, sagte sie knurrig.
»Wirklich, ich bin dankbar.« Allmählich bekam seine Stimme etwas Drängendes. »Aber ich habe geschworen, Archeth, genau wie Ihr. Wenn die Gilde mit ihren Klagen und Ängsten zu mir kommt, habe ich geschworen, mich um diese Sorgen zu kümmern. Ihr wisst, wie viele von uns den Säuberungen zum Opfer gefallen sind. Was soll ich denn Eurer Ansicht nach tun? Ein höfliches Lächeln aufsetzen und mir wie Sang die Augen verbinden? Beiseitetreten, wenn meine Freunde und Kollegen verschwinden und zu Tode gefoltert werden?«
»Und Ihr seid wirklich der Ansicht, es wird etwas ändern, wenn Ihr Euch Euren Freunden auf dem Hinrichtungsbrett anschließt?« Sie seufzte. Ging das Kissen holen, das sie weggetreten hatte. Beugte sich herab und rief ihm dabei zu: »Was hätte ich tun sollen, Mahmal? Ich musste dafür sorgen, dass Ihr am Leben bleibt. Yhelteth
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