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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Saba brauchen Sie sich nicht einzuschmeicheln«,
sagte sie. »Die Königin reite ich.«

    Das andere Pferd, das Merres am Zügel hielt, war einen
halben Kopf größer als die Milchkaffeestute. Es glänzte in der Sonne wie eine
aus der Schale geplatzte Kastanie. Der Exhengst schaute Schreiber gelangweilt
an. Reiter und Pferd waren auf Augenhöhe. »Soll ich dieses braune Gebirge erklimmen?«

    »Kuri ist ein sanfter Riese. Er kommt auch aus Ungarn.
Ein liebenswerter, zuverlässiger Wallach ohne schlechte Angewohnheiten.«

    »Gegensätze ziehen sich an«, sagte Hannes und hob das
Seitenblatt des Sattels hoch. Während des Flachsens hatte er versucht, sich an
die Handgriffe zu erinnern, die vor dem Aufsitzen fällig waren. Er strammte den
Bauchgurt, schob zur Kontrolle eine flache Hand zwischen Fell und Riemen. Okay,
dachte er, mitsamt Sattel um den Pferdebauch rotieren werd ich schon mal nicht.
Was kam als Nächstes? Richtig, Steigbügel auf Armlänge einstellen. Als er an
den Sattel fasste, meldete sich Merres. »Passt schon«, knurrte er, wie wenn der
Reporter seinen Sattelkünsten misstraute.

    Im Reitunterricht hatten sie Schreiber eingeschärft, dass
er alles selbst kontrollieren solle. Weil er es sich mit dem Alten nicht
verderben wollte, verzichtete er darauf. Er schob den linken Stiefel in den
Steigbügel, fasste mit beiden Händen den Sattel vorn und hinten, stieß sich mit
dem rechten Bein ab und schwang sich aufs Pferd. Elegant sah das sicher nicht
aus, aber zu seinem Erstaunen saß Schreiber im ersten Anlauf oben.

    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte Diana Steinkamp, die inzwischen
auch aufgesessen war.

    »Wie Liz Taylor.«

    »Wie bitte?«

    »Die Katze auf dem
heißen Blechdach«, erklärte sich Schreiber. »Ein Hollywoodstreifen aus den
Fünfzigern. Mit Elizabeth Taylor in der Titelrolle.«

    »Das war vor meiner Zeit.« Diana Steinkamp setzte ihr
Pferd in Marsch und Kuri trottete hinterdrein. Hannes nahm sich vor, dem
Wallach seinen Willen zu lassen. ›Was ist der Sieg einer Katze auf einem heißen
Blechdach?‹, hatte Paul Newman die Taylor in jenem Film gefragt. Ihre Antwort:
›Oben bleiben, solange sie kann.‹

    Im Schritt ritten sie den Hang hinab. Erst als sie eine
ebene Wiese erreichten, ließ die Steinkamp ihre Stute antraben. Schreiber hätte
gern länger bewundert, wie sich Reiterin und Pferd bewegten. Wie ein einziges
elegantes Lebewesen. Doch der sanfte Riese unter ihm sah sich gemüßigt, es den Damen
gleichzutun. Beim Traben hüpfte Hannes wie ein Rhesusäffchen mit Hämorrhoiden.
›Loslassen‹, hatte die Lehrerin in solchen Momenten über die Reitbahn gebrüllt
und: ›Locker bleiben, Hannes!‹ Schreiber schob seinen Hintern im Sattel nach
vorn, richtete sich auf und versuchte, die Bewegungen des Pferderückens mitzumachen.
Das ging eine Weile gut, ehe ihn Kuris Kreuz wieder hammerhart am Steiß erwischte.

    Die Steinkamp sah über seine Nöte hinweg. »Der Berg da
drüben ist der Bucegi«, rief sie. »Noch höher als der Königstein.«

    Hannes warf einen schnellen Blick auf den gewaltigen
Felsklumpen im Osten und konzentrierte sich dann wieder auf den Rhythmus des
Pferdes. Als er langsam ein Gefühl für Kuris Trab zu entwickeln glaubte,
galoppierte Saba an. Wieder folgte der Wallach, ohne dass er ihn treiben
musste. Auf die Schnelle hätte er ohnehin nicht gewusst, wie das nun wieder
ging. Er ließ Kuri rennen. Eine Art Angstlust überfiel ihn. Angst, vom Pferd zu
fallen und sich den Hals zu brechen. Lust, von Kuris Hufen die Erdschwere in
Grund und Boden stampfen zu lassen. Die Heuwiese wischte dahin, den Bergwind im
Gesicht flog Schreiber voran. Er ritt nicht, es ritt ihn. Kein Gedanke an
Bartelmus und sein Magazin. Kein
Kummer wegen Vera und ihrem neuen Kerl. Keine Sorgen um seine Söhne.

    Am Waldrand fielen die Pferde in einen leichten Trab. Auf
einer Schafstrift ging es bergan. Hannes kannte sich nicht aus, ein prima
Grund, seinen Wallach immer hübsch hinter Saba herzockeln zu lassen. Die Stute
schlug mit dem blonden Schweif. Der Pferdeschwanz ihrer Reiterin wippte. Es gab
eine Menge schlechterer Arten, sein Geld zu verdienen, als mit Diana Steinkamp
durch die Karpaten zu reiten.

    Oben in Ma gura waren sie noch ein paar Menschen begegnet, Bauern in verschwitzten Hemden, die
die Sense schwangen, Frauen mit Holzrechen, die das Heu zusammenharkten. In dem
Altholz, durch das sie nun ritten, war es kühl und still. Selbst die Vögel
schwiegen. Grün gefiltertes Licht drang

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