Das Karpaten-Projekt
gehörte.
»Wo ist eigentlich der Merresmisch?«, fragte er.
»Hat heute frei.«
»Schade. Er hätte mich sonst nach Brasov fahren können.«
»Was wollen Sie in Brasov?«, fragte die Steinkamp und sah
ihn von der Seite an.
»Neue Wanderschuhe kaufen, und einen Mietwagen brauche
ich auch.«
»Warum?«
»Damit ich Sie nicht morgens um sechs aus den Bett
klingeln muss.«
»Ah so.« Diana Steinkamp sah sich unschlüssig im Zimmer
um. »Ich bin in Sorge wegen Teddy. Nachher taucht er hier auf und niemand ist
da.«
Hannes heuchelte Verständnis. »Vielleicht bringen Sie
mich nur eben den Berg runter nach Za rnesti.
Da gibt’s doch sicher Taxis.«
Eine gute Stunde später kam er nach einmal Umsteigen in
Brasov an und mietete einen Fiat Panda. Dies war schließlich eine
Bärengeschichte, und günstig war das Auto auch. Er steuerte den Wagen in die
Innenstadt, die hier centru hieß. Brasov
sah nicht anders aus als andere postsozialistische Städte. Ein buntes Gemisch
aus Bruchbuden und geschmacklosen Neubauten, dazwischen grellbunte Plakatwände
mit westlichen Produkten von Praktiker und Metro. Nur um den Platz im
Zentrum der Stadt hatten sie die alten Häuser renoviert. Direkt neben der
orthodoxen Kirche hatte sich Kentucky
Schreit Ficken eingenistet, die Banca
Tiriac lag gleich nebenan.
Bei der Schwarzen Kirche sollte es einen »super Outdoorladen« geben, hatte die Steinkamp ihm gesagt.
Schreiber entdeckte das evangelische Gotteshaus, obwohl es ihm nicht besonders
schwarz vorkam, jedenfalls nicht schwärzer als die Kirchen im Ruhrpott. Das
Geschäft für den modernen Wanderer lag nahebei. Es führte die angesagten
Outdoor-Outfits aus dem Westen, die Preise unterschieden sich nicht sehr von
den deutschen. Die Verkäuferin sprach Englisch. Als Schreiber einigermaßen bequeme
Schuhe gefunden hatte, weichere als seine durch Feindeinwirkung verloren
gegangenen, fragte sie ihn, was er in Rumänien treibe.
»Trekking«, log Hannes. »Ich liebe die Karpaten.«
Die junge Frau war begeistert, erzählte von ihrer letzten
Gratwanderung auf dem Königstein und wie schön der Bucegi an Alltagen sei, ohne
die Seilbahntouristen. Wo er denn schon gewesen sei, wollte sie wissen.
»In den Fogarascher Bergen.« Das stimmte fast.
»Haben Sie schon Bären gesehen?«
Was sollte Schreiber darauf antworten außer: »Noch nicht.«
»Dann müssen Sie unbedingt nach Ra c a d a u.« Die Verkäuferin zog einen
Stadtplan unter der Theke hervor und zeigte Schreiber, wohin er fahren solle. R a c a d a u
war ein Vorort von Brasov.
»Bären in der Stadt?«
»Ja, sie kommen jeden Abend aus dem Wald und fressen den
Müll. Aber seien Sie vorsichtig. Es hat schon zwei Tote gegeben.«
Hannes bedankte sich artig für den Tipp. Diese Recherche
wurde immer verrückter.
14
Katharina hatte den ganzen Tag mit aus dem Internet gefischten
Müllwagenherstellern telefoniert. Sie wusste inzwischen, dass es die
Speziallaster auch gebraucht zu kaufen gab. Achtzigtausend Euro war das
günstigste Angebot. Im Geiste ging sie deutsche Tierschutz- und Umweltverbände
durch. Niemand von denen würde ihr so viel Geld für einen Müllwagen geben. Sie
musste sich etwas anderes einfallen lassen. Privatfirmen, die mit dem
Sponsoring PR machen konnten. Jack
Wolfskin wäre die ideale Adresse gewesen, wenn sie mit Wölfen gearbeitet
hätte statt mit Bären. Katharina dachte über Marken mit Bärenbezug nach und kam
auf Bärenmarke. Ob ein deutscher
Kondensmilchfabrikant sein Wappentier in Rumänien sponserte, würde sich weisen.
Dann fiel ihr Ursus ein, ihr
rumänisches Lieblingsbier, das mit einem Bären auf dem Etikett daherkam. Sie
stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus ob der guten Idee, googelte die
Brauerei und schaute sich einen schwachsinnigen Actionclip für Ursus an. Nebenher lief Radio Brasov mit
den Lokalnachrichten. Zuerst glaubte Katharina, sie hätte sich verhört, und
rief schnell Ovidiu Vandra im Wildforschungsinstitut an. Bei dem lief nur die
Mailbox. Also suchte sie die Nummer des Forstamtes heraus und erfuhr von Viola,
der Sekretärin, dass sie keinen Hörschaden hatte. Ion Hulanu war in der vergangenen
Nacht erschossen worden.
»Aber ich darf nichts sagen. Wir haben die polit ia im Haus. Alle werden
verhört«, schnäbelte Viola. Sie war wie Katharina ins deutsche Gymnasium von
Kronstadt gegangen, allerdings zwei Klassen unter ihr.
»Hat man den Täter denn noch nicht?«
Die Sekretärin senkte die Stimme so
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