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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Schaulustigen auftauchten,
ein paar von den Kids aus Ra c a d a u und der ein oder andere Erwachsene. Insgesamt deutlich
weniger als an dem Abend, als das Mädchen g estorben war. Offensichtlich
saß den Leuten der Schreck in den Knochen. Für Katharina war die Szene an der Jepilor -Straße alltäglich. Sie erzählte
weiter von ihren Schwierigkeiten mit den Behörden und war unangenehm berührt,
als der Reporter sie nicht mehr anschaute, sondern über ihre Schulter starrte.
Sie drehte sich um und erkannte den Grund. Der erste Bär war am Müll aufgetaucht.

    »Das ist Frühaufsteher«, sagte sie, »der kommt immer als
Erster.«

    Später erschienen noch ein paar andere Petze. Auch sie
waren vergleichsweise lustlos bei der Sache. Hüpften von der Mauer in Iliescus
Müllwägelchen und bald wieder heraus. An diesem Abend fütterten die Kids nicht.
Nur ein paar geschniegelte Touristen, die mit dem Taxi gekommen waren, hielten
einem Bärenjungen einen Keks hin. Der Kleine schnappte ihn sich und rannte
zurück zu seiner Mama.

    »Nicht viel los heute«, sagte Katharina. Der Reporter sah
sie ungläubig an. »Ich habe jetzt in einer halben Stunde fünf Bären gesehen und
Menschen, die keine zehn Meter davon entfernt stehen. Ein junger Braunbär
frisst den Touris aus der Hand und seine Mutter schaut zu. Hier ist wirklich so
gut wie nix los.«

    Katharina lachte. »Für mich ist das Alltag.«

    Sie gingen noch einmal die Strada Jepilor rauf und runter. Auf den Balkonen der Plattenbauten
saßen die Leute, hörten Balkanpop, tranken Ursus und schauten den Bären beim Abendmahl zu. Es war eine ganz gewöhnliche,
schaurig-schöne Ra c a d a uer Sommernacht.

    »Trinken wir noch ein Bier?«, fragte sie den Reporter.
Sie hatte einen Horror davor, in ihre leere Bude zu gehen und sich den Kopf
über Hulanus Tod zu zermartern. Schreiber riss sich von den Müllbären los und
trabte an ihrer Seite ins Viertel.

    In der Straßenkneipe an der Hauptstraße saßen sie auf den
in der Welt des schlechten Geschmacks weit verbreiteten weißen Plastiksesseln.
Reklamesonnenschirme verdeckten die Sterne. Ein Omnibus bummelte der Endstelle
am Talschluss entgegen. Es dauerte, bis die Kellnerin kam.

    Bevor Katharina etwas sagen konnte, bestellte Schreiber doi bere, und vergaß nicht einmal, va rog zu sagen.
    »Sie
sprechen ja perfekt Rumänisch«, frotzelte sie.

    »Wenn ich ins Ausland gehe, helfe ich mir vorher ein paar
Basics auf«, sagte Schreiber, »guten Tag, auf Wiedersehen, so Zeug.«

    »Und ›Zwei Bier, bitte‹ gehört auch zu Ihren Basics?«

    »Ich stamme aus dem Ruhrpott«, sagte der Reporter, als
erkläre das alles.

    Das Ursus kam
in Flaschen. Sie stießen damit an und Schreiber fragte Katharina, wo sie
studiert hätte. Ihre Biologieprofessorin kannte er beruflich. »Sie hat mich mal
mit einer Hundegeschichte reingelegt. Es ging um Straßenhunde aus Südeuropa. Hunde in Not Teneriffa oder Ibiza. Mir
gegenüber hat sie gegen das Importgeschäft mit den verlausten Kötern
polemisiert. Als ich sie so im Magazin zitiert habe, hat sie den Damen dieses Gewerbes gemailt, ich hätte ihr das Wort
im Munde umgedreht. Zum Glück hatte ich bei unserm Gespräch das Band laufen
lassen.«

    Katharina verdankte der Frau zwar ihren Job, und das
sagte sie Schreiber auch, persönlich war die Professorin mit der
Königspudelfrisur tatsächlich eine schwierige Nummer. Eitel bis zum Abwinken
und eifersüchtig auf die Konkurrenz. »Biologen sind ungefähr so territorial wie
Braunbären am Riss«, ätzte sie.

    »Sie sollten sich mal eine Redaktionskonferenz beim Magazin anschauen. Da gibt es auch
allerlei Analogien zum Tierreich zu bestaunen.«

    So kamen sie ins Quatschen und Katharina vergaß für eine
Weile den toten Hulanu. Sie fühlte sich so wohl, dass es nicht nur an dem
kühlen Bier in der warmen Nacht liegen konnte. »Merkwürdig«, sagte sie, »in
Deutschland hat mir das Rumänische gefehlt und in Rumänien das Deutsche.«

    Der Reporter schwieg. Sie nahm noch einen Schluck Ursus. »Morgen früh geh ich meine Fallen
kontrollieren«, hörte sie sich sagen, »wenn Sie Lust haben, können Sie mitkommen.«

    »Gerne«, sagte Schreiber.

    »Wir treffen uns um acht bei der Schule.«

    »Acht ist früh.«

    »Ich dachte, Sie sind Jäger.«

    Schreiber nickte. Er ließ es sich nicht nehmen, die
Rechnung zu zahlen. Mit den Lei kam er nicht klar und gab viel zu viel
Trinkgeld.

    »Wo übernachten Sie eigentlich?«, fragte Katharina im
Gehen.

    Wieder

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