Das Karpaten-Projekt
Ellenbogen aufgekrempelt. Katharina überlegte, was der Mann hier
wollte und ob sie ihn ansprechen sollte, als der Lange seine Kippe austrat und
auf sie zukam.
»Buna sear a «, grüßte
er mit heftigem deutschem Akzent. » Sunt Hannes
Schreiber. Do you speak English?«
Sie musste lächeln. »Reden Sie ruhig deutsch mit mir. Ich
bin Katharina Orend aus K…« Sie wollte Kronstadt sagen, so nannten Siebenbürger
Sachsen Brasov, wusste aber nicht, ob er das verstünde. »… aus Brasov«,
beendete sie den Satz.
Der Mann steckte seinen Notizblock ein und reichte ihr
die Hand. Als sie sie schüttelte, machte er einen Diener. Old school, dachte
Katharina amüsiert und fragte ihn, was er hier treibe.
»Ich bin Reporter beim Magazin und interessiere mich für die rumänischen Bären.«
»Beruflich?«
Der Lange zögerte einen Moment mit der Antwort. »Ja«,
sagte er dann. »Sie auch, oder?« Er zeigte mit dem Finger auf ihre Brust, vor
der noch immer das Lederetui mit dem Telemetrieempfänger hing.
»Ich arbeite für eine deutsche Tierschutzorganisation. Vier Tatzen. Kennen Sie wahrscheinlich.«
Der Mann, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte,
zeigte keine Reaktion. Katharina kam das vor, als ob er nicht viel von ihrem
Arbeitgeber hielte, jedoch klug genug sei, es nicht zu zeigen. »Interessant«,
sagte er. »Sind Sie Wildbiologin?«
»Sind Sie Jäger?«, fragte Katharina zurück.
Der Lange zog die Augenbrauen hoch. »Wie kommen Sie
darauf?«
»Weil nur Jäger von Wildbiologen sprechen. Alle anderen
nennen uns einfach Biologen.«
»Eins zu null für Sie«, sagte der Typ, holte seine
Marlboros aus der Hose und bot ihr eine an. Katharina hatte das Rauchen
aufgegeben, seit sie nicht mehr in Kneipen kellnerte. An Tagen wie diesem fiel
ihr das Durchhalten schwer. Sie dachte an die zwanzig Kippen, die sie zum Schluss
pro Tag gesüchtelt hatte, und lehnte dankend ab.
Der Reporter steckte die Packung ungeöffnet wieder ein. »Wie
viele Bären haben Sie denn am Sender?«, fragte er.
»Wird das jetzt ein Interview?«
»Ich würde es eher Gespräch nennen.«
Katharina hatte keine Erfahrungen mit der Presse und
wollte nicht blindlings in eine Geschichte geraten, über die sie keine
Kontrolle hatte. »Vielleicht erzählen Sie mir erstmal, was Sie vorhaben.«
Der Journalist zögerte wieder einen Augenblick, ehe er
antwortete. Der überlegt genau, was er sagt, dachte Katharina.
»Die Nachricht von den Müllbären in Brasov und den
Todesfällen ist auch in Deutschland über den Ticker gelaufen. Und weil ich bei
uns der Spezialist für wilde Tiere bin, hat mein Chefredakteur mich in Marsch
gesetzt.« Der Journalist holte sich jetzt doch eine Zigarette raus und steckte
sie an.
»Und was für ein Artikel soll das werden? Rumänische Straßenkinder von Müllbären zerfleischt? «
»Ich komme vom Magazin, Frau Orend, nicht von der Bild -Zeitung.«
»Okay«, sagte Katharina, »und was ist Ihre Position zu
den Bären hier?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich bin heute Abend zum
ersten Mal hier. Da habe ich keine Positionen, sondern Fragen.«
Katharina traute dem Kerl nicht wirklich. Er gab schlaue
Antworten, ohne sich festzulegen. Andererseits konnte sie Berichterstattung für
ihr Projekt gut brauchen. ›Public awareness‹ nannten sie das bei Vier Tatzen und waren ganz heiß darauf.
Sie verlangte seinen Presseausweis.
»Da steht ja gar nicht, für wen Sie arbeiten.«
Der Journalist reichte ihr wortlos eine Visitenkarte. Das
rote Logo des Magazins, das in
Deutschland jeder kannte, prangte darauf. Hannes Schreiber, Reporter, stand
darunter. »Okay«, sagte Katharina, »darf ich die behalten?«
Schreiber nickte lächelnd. Und begann zu fragen. Wie
viele Bären sie am Sender habe, wie viele zum Müll kämen und seit wann. Ob die
Petze hier bejagt würden, und wenn ja, wie viele sie erlegten. Warum sie keine
bärensicheren Müllcontainer aufstellten und ob der Bärenbestand nach Ceausescus
Hinrichtung gesunken sei.
Zögernd ließ sich Katharina auf die Fragen des Reporters
ein. Der alte Knabe hatte eine Art zuzuhören, die es ihr schwer machte,
vorsichtig zu sein. Zwischendurch sagte er ein paar Sätze über sich und die
Wolfsreportage, die er geschrieben hatte. Seine selbstironische Art zu erzählen
gefiel ihr. Für einen Jäger war Schreiber ganz okay. Am liebsten hätte sie ihm
auch von dem Mord an Hulanu erzählt, aber das verkniff sie sich.
Es ging auf zehn zu, als die ersten
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