Das Karpaten-Projekt
lag.
»Und wo steckt Teddy?«, fragte sie, als er fertig war.
»Vielleicht haben die Förster ihn geschnappt.«
»Haben Sie nicht versucht, ihn anzurufen?«
»Ich hab seine Nummer nicht«, bekannte Schreiber.
»Männer«, meinte Frau Steinkamp bemerken zu müssen, nahm
ihr Handy und wählte. Nach einer Weile warf sie es auf den Beifahrersitz
zurück. »Er geht nicht ran.«
Den Rest des Weges schwiegen sie.
13
Es war nicht einfach, Stefan Bartelmus ans Telefon zu bekommen.
Schreiber landete ein paarmal in Stefans Sekretariat, wo ihm die Kolleginnen
von immer neuen Besprechungen des großen Meisters berichteten.
Bis Hannes der Kragen platzte. »Ich lauf hier nächtelang
auf Socken durch die Karpaten!«, schrie er, »Kugeln pfeifen mir um die Ohren
und Förster verfolgen mich, und Bartelmus, der mir die ganze Scheiße
eingebrockt hat, sitzt in Hamburg und führt das große Wort! Sie gehen da jetzt
sofort rein und sagen ihm, wenn er mich in den nächsten fünf Minuten nicht
zurückruft, setz ich mich in den erstbesten Flieger nach Deutschland.«
Sieben Minuten später klingelte sein Handy. Auf dem
Display leuchtete die bekannte Hamburger Nummer. »Bartelmus«, brüllte
Bartelmus.
»Moment, Stefan.« Schreiber verließ die Villa Diana mit
dem Telefon am Kopf, um ungeniert reden zu können. Dann erzählte er zum zweiten
Mal an diesem Tag, was er mit dem Bärenflüsterer und ohne ihn erlebt hatte.
Auch dass der Typ einfach nur Diesel über das Bärenfutter kippte und ihm nicht
mal seinen richtigen Namen sagen wollte, geschweige denn etwas aus seinem Leben.
»Im Grunde weiß ich nur, dass der Kerl sich Teddy nennt, Stefan. Ja, du hast
richtig gehört, Teddy, wie das gleichnamige Plüschtier.«
»Scheiße«, sagte Bartelmus. Hannes widersprach nicht. »Sind
die noch hinter dir her, Hannes?«
»Was weiß ich? Dazu müsste man rauskriegen, was mit Teddy
passiert ist. Wer geschossen hat, und auf wen.«
Bartelmus schwieg einen Moment. Schreiber genoss dieses
seltene Erlebnis. Er sagte auch nichts. »Bist du noch dran?«, brüllte Stefan
drei Sekunden später, als wollte er die Distanz zwischen Hamburg und Ma gura ganz ohne technische
Hilfsmittel akustisch überbrücken. Hannes bejahte.
»Ich will dir nichts vorschreiben. Wenn es dir zu gefährlich
ist, komm zurück. Aber eigentlich ist das eine spannende Geschichte. Das wird
vielleicht ein Scoop wie damals mit den Wölfen, Hannes.« Dass er die Geschichte
brauchte, um sich bei der Kandidatin lieb Kind zu machen, sagte Bartelmus
nicht.
Hannes überlegte einen Augenblick. Er dachte an die Blase
in Berlin und seine Unfähigkeit, im Politikbetrieb mitzumischen. Wenn er sich
beim Magazin halten wollte, brauchte
er die Bärengeschichte im Grunde genauso nötig wie Bartelmus.
»Okay, Stefan, ich recherchier hier mal weiter. Aber ich
nehm mir einen Mietwagen und vielleicht zieh ich auch in ein Hotel. Ich muss
unabhängig von der Steinkamp arbeiten können.«
»Kein Thema, Hannes. Meinetwegen mach Spesen, bis der
Arzt kommt.«
»Kann ich das schriftlich haben?«, wollte Schreiber
wissen. Bartelmus antwortete nicht. Er hatte schon aufgelegt.
Den Morgen hatte Hannes im Bett verbracht. War mühsam
eingeschlafen und gegen Mittag schon wieder wach. Die Blasen an seinen Füßen, inzwischen
gewölbt wie Planetarien, hatte er mit der Spitze seines Taschenmessers
aufgestochen, desinfiziert und verpflastert. Von Teddy hatte die Steinkamp noch
nichts gehört, erfuhr Hannes, als er nach dem Telefonat mit Bartelmus in die
Villa zurückkam.
Diana lümmelte auf dem Sofa. Trotz der Hitze, die draußen
herrschte, hatte sie sich eine Decke über die Beine gelegt. Ihr eher breites
Gesicht wirkte spitznasig und fahl. Ohne ihren Alten, der den Betrieb aufgebaut
hatte und immer noch leitete, ohne den Merresmisch, der den rumänischen Alltag
für sie meisterte, ohne Teddy, ihren Bärenflüsterer, kam die wichtige Diana
Steinkamp Hannes einsam und angreifbar vor. Der Reporter setzte sich neben sie
aufs Sofa.
»Sorgen?«
Sie nickte.
»Machen Sie was Alltägliches, etwas, das Sie ablenkt.
Essen kochen, Pferdestall ausmisten, Strümpfe stopfen oder so.« Schon als er
seine Vorschläge ausbreitete, merkte Schreiber, dass keine dieser Tätigkeiten
für eine Frau wie Diana Steinkamp alltäglich war und dass die Reparatur von
Socken zwar seine Mutter beruhigt hätte, aber sicher nicht zum Verhaltensrepertoire
einer Jungunternehmerin für schwierige Stunden
Weitere Kostenlose Bücher