Das Karpathenschloß
gern aufsuchten, wo jedoch auch Andere, die gar nichts tranken, nach gethanem Tagewerk gern ein Weilchen von ihren Angelegenheiten plauderten. Die Letztgenannten waren natürlich in geringerer Zahl vertreten. Dieses Allen offenstehende Local war der Haupt-oder richtiger, der einzige Gasthof des Dorfes.
Als Eigenthümer bewirthschaftete denselben ein Jude, Namens Jonas, ein wackerer Mann von etwa sechzig Jahren, mit freundlichem Gesicht, das aber an den schwarzen Augen, der Adlernase, den vorstehenden Lippen, den schlichten Haaren und dem hergebrachten Spitzbart auf den ersten Blick den Semiten erkennen ließ. Unterwürfig und gefällig, lieh er an Diesen und Jenen willig kleinere Summen aus, ohne dafür Wucherzinsen zu nehmen, wenn er auch etwas streng darauf sah, zum festgesetzten Termine sein Geld von dem Entleiher zurückzubekommen. Gebe der Himmel, daß die im transsylvanischen Lande ansässigen Juden alle so ehrenhaft und wohlwollend wären, wie der Gastwirth zu Werst!
Leider bildet dieser vortreffliche Jonas eine Ausnahme. Seine Glaubensgenossen und seine Geschäftscollegen – denn diese sind alle Gast-und Schankwirthe, die Getränke und Specereien verkaufen – betreiben das Nebengeschäft als Geldverleiher mit einer, für die Zukunft des rumänischen Bauers beunruhigenden Härte, so daß man gewiß noch Grund und Boden aus den Händen der Einheimischen in die der eingewanderten Rasse wird übergehen sehen. Da sie ihre gemachten Vorschüsse so gut wie niemals zurückerhalten, werden die Juden eben zu Eigenthümern der Schänken oder der von Hypotheken erstickten Culturen, und wenn das gelobte Land nicht mehr Judäa ist, so kann es eines Tages wohl auf den Landkarten von Siebenbürgen verzeichnet stehen.
Der Gasthof zum »König Mathias« – so nennt sich das Haus – nahm auch eine Ecke der die Dorfstraße von Werst durchschneidenden Terrasse, dem Hause des Biró gegenüber ein. Es war ein altes, halb hölzernes, halb steinernes Bauwerk, das an vielen Stellen ausgeflickt, aber von reichem Grün überzogen und im Ganzen recht anheimelnd anzusehen war. Es bestand aus einem Erdgeschoß mit einer nach der Terrasse führenden Glasthür. Im Innern gelangte man erst in einen geräumigen Saal, der mit Tischen für die Gläser und mit Schemeln für die Gäste versehen war, außerdem einen Schanktisch aus wurmzerfressenem Holze, auf dem Töpfe, Schüsseln und sonstiges Geschirr standen, und eine Schranke aus schwarzem Holz enthielt, hinter der Jonas zur Verfügung seiner Gäste stand.
Die nöthige Beleuchtung erhielt die große Gaststube durch zwei Fenster, die an der Vorderwand nach der Terrasse hinausgingen, und durch zwei andere diesen gegenüber an der Hinterwand. Von diesen beiden war das eine äußerlich durch einen dichten Vorhang von Schling-und Hängepflanzen verschlossen, so daß es nur ein wenig gebrochenes Licht eindringen ließ. Das andere bot, wenn man es öffnete, einen herrlichen Ausblick über das ganze untere Thal des Vulcan. Ein wenig unterhalb des Thaleinschnittes schossen die polternden Wellen eines Bergbaches, des Nyad, daher; auf der einen Seite stürzte dieser Bach den Abhang des Mittelberges hinunter, da seine Quelle auf der Höhe des Plateaus von Orgall lag, das die Gebäude der Burg krönten; auf der andern rauschte er, stets, selbst in der heißen Sommerszeit, von vielen Zuflüssen aus dem Berge reichlich gespeist, dem Bette der walachischen Sil zu, die ihn im Vorüberfließen verschluckte.
Rechter Hand im Gasthause und gleich an die Gaststube anstoßend, befand sich ein halbes Dutzend kleiner Zimmer – eine hinreichende Zahl für die wenigen Reisenden, die vor Ueberschreitung der Grenze im »König Mathias« einmal Nachtquartier machten. Sie waren hier einer guten Aufnahme sicher und zahlten auch nur mäßige Preise bei dem aufmerksamen, diensteifrigen Wirthe, der obendrein recht guten Tabak zu verkaufen hatte, welchen er sich aus den besten »Trafiks« der Umgebung beschaffte. Jonas selbst benutzte zum Schlafen eine schmale Dachkammer mit kleinen Fensterluken, die nach der Terrasse zu lagen.
In diesem Gasthause also hatten sich am Abend des 29. Mai alle »Häupter« von Werst zusammengefunden: Meister Koltz, Magister Hermod, der Forstwächter Nic Deck, ein Dutzend der angesehensten Bewohner des Dorfes und auch der Schäfer Frik, der hier nicht die unbedeutendste Rolle spielte. Der Doctor Patak fehlte bei dieser Vereinigung der Notablen. Er war eiligst zu einem seiner Kunden gerufen
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