Das Karpathenschloß
und Umgebung eben hergebracht war. Mit seiner unerschütterlichen Ruhe und betäubenden Redseligkeit flößte er nicht weniger Vertrauen ein, als der Schäfer Frik – und das will viel sagen. Er verkaufte gute Rathschläge und Arzneien, letztere aber immer so unschuldiger Natur, daß sie die kleinen Leiden seiner Kunden niemals verschlimmern konnten und Letztere, wie es ja meist der Fall ist, von selbst wieder gesund wurden.
Miriota Koltz.
Uebrigens befand man sich auf dem Bergrücken des Vulcan vorzüglich wohl; die Luft ist hier von »erster Güte«; epidemische Krankheiten sind unbekannt, und wenn einer stirbt, so geschieht das, weil man einmal sterben muß, selbst in diesem bevorzugten Winkel Transsylvaniens. Was den »Doctor« Patak – ja, man nennt ihn wirklich »Doctor« – angeht, so fehlte ihm, obwohl man sich ihm hier gern anvertraute, doch jede Fachbildung, in der Heilkunde, der Arzneiwissenschaft, überhaupt in Allem.
»Der Chort!« versicherte Frik. (S. 42.)
Er war weiter nichts, als ein früherer Krankenwärter der Quarantäne, dessen Aufgabe darin bestand, die Reisenden zu beobachten, die zur Erlangung eines Gesundheitspasses an der Grenze eine Zeit lang zurückgehalten wurden – weiter nichts. Das schien der anspruchslosen Bevölkerung von Werst vollkommen zu genügen. Wir müssen noch hinzufügen, daß Doctor Patak – wie sich das eigentlich von selbst versteht – ein starker Geist, um nicht zu sagen Freigeist war, und etwas derart muß ja wohl Jeder sein, der sich der Fürsorge und Pflege Seinesgleichen widmet. Er leugnete auch alle die abergläubischen Geschichten, die man sich im Lande der Karpathen erzählte, sogar die, die sich auf die Burg bezogen. Er lachte, er scherzte einfach darüber, und sagte man ihm, daß seit langer, langer Zeit Niemand gewagt habe, sich dem Schlosse zu nähern, so antwortete er Jedem, der es hören wollte: »Mir könnt Ihr ruhig zutrauen, daß ich sofort bereit wäre, dem alten Ritterneste einen Besuch abzustatten.«
Da man es ihm zutraute und sich Jeder hütete, ihm zu widersprechen, hatte der Doctor Patak freilich keine Gelegenheit gefunden, seine Behauptung zu beweisen, und bei der herrschenden Leichtgläubigkeit blieb das Karpathenschloß nach wie vor in den undurchdringlichen Schleier des Geheimnisses gehüllt.
Viertes Capitel.
In wenigen Minuten hatte sich die vom Schäfer verkündete Neuigkeit im ganzen Dorfe verbreitet. Meister Koltz, der das kostbare Fernrohr in der Hand trug, war eben in sein Haus zurückgekehrt und ihm folgten Nic Deck und Miriota. Jetzt befanden sich auf der Terasse Frik und etwa zwanzig Personen, Männer, Frauen, Kinder, denen sich einige Zigeuner angeschlossen hatten, die sich nicht weniger erregt zeigten, als die übrigen Bewohner des Dorfes. Die Leute umringten Frik, bestürmten ihn mit allerlei Fragen, und der Schäfer antwortete darauf mit der stolzen Herablassung eines Mannes, der Augenzeuge eines ganz außerordentlichen Ereignisses gewesen ist.
»Ja, ja, wiederholte er, die Burg raucht, raucht noch und wird weiter rauchen, so lange davon noch ein Stein auf dem andern steht.
– Wer kann das Feuer aber angezündet haben? fragte eine alte Frau, die Hände zusammenschlagend.
– Der Chort, versicherte Frik, der hier dem Teufel den landesüblichen Namen gab; der Böse versteht sich ja besser darauf Feuer anzuzünden, als es zu löschen!«
Auf diese Erklärung hin suchte Jedermann den Rauch an der Spitze des Wartthurms zu entdecken. Schließlich bestätigten die Meisten, daß sie diesen ganz deutlich gesehen hätten, obgleich er bei der weiten Entfernung unbedingt nicht wahrzunehmen war.
Die Wirkung dieser merkwürdigen Erscheinung überstieg Alles, was man sich nur denken konnte. Wir müssen hierbei noch ein wenig verweilen. Der Leser versuche gefälligst, sich in die Geistesverfassung zu versetzen, wie sie sich bei den Bewohnern von Werst vorfindet, dann wird er nicht mehr über das erstaunen, was im weiteren Verlaufe dieser Erzählung berichtet wird. Er soll selbstverständlich nicht an Uebernatürliches glauben lernen, sich aber daran erinnern, daß die hiesige unwissende Bevölkerung daran glaubte. An das Mißtrauen, mit dem das Karpathenschloß bisher betrachtet worden war, so lange es noch als gänzlich verlassen galt, knüpfte sich nun, da es bewohnt und – großer Gott! – von welcher Art Wesen bewohnt war, noch der blasse Schrecken.
In Werst gab es einen Versammlungsort, den durstige Seelen
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