Das Karpathenschloß
angezündet haben….
– Eine Hand!… Wenn’s nur keine Kralle gewesen ist! warf der alte Bauer kopfschüttelnd ein.
– Hand oder Kralle, meinte der Wirth, darauf kommt wenig an. Wir müssen wissen, was die Geschichte bedeutet. Es ist das erstemal, daß eine Rauchsäule aus dem Schornsteine des Schlosses aufsteigt, seitdem es der Baron Rudolph von Gortz verlassen hat.
– Immerhin wäre es nicht ausgeschlossen, daß es dort schon öfter geraucht hätte, ohne daß es Jemand gewahr wurde, bemerkte Meister Koltz.
– Das glaub’ ich nun und nimmermehr!, rief Magister Hermod lebhaft.
– Im Gegentheil, es ist sehr wohl möglich, entgegnete der Biró, da wir bisher kein Fernrohr besaßen, um zu beobachten, was auf der Burg etwa vorging.«
Dieser Einwurf schien gerechtfertigt. Dieselbe Erscheinung konnte ja schon lange bestanden haben und selbst dem Schäfer Frik trotz seiner vorzüglichen Augen entgangen sein. Doch einerlei, ob die genannte Erscheinung nun neueren Datums war oder nicht, so unterlag es doch keinem Zweifel, daß jetzt menschliche Wesen im Karpathenschlosse hausten. Diese Thatsache allein bildete aber schon eine Quelle der Beunruhigung für die Einwohner von Vulcan und Werst.
Magister Hermod glaubte bei seinem Aberglauben hiergegen Einspruch erheben zu müssen.
»Menschliche Wesen, meine Freunde?… Ihr werdet mir gestatten, daß ich daran nicht glaube. Wie sollten menschliche Wesen auf den Einfall kommen, sich in die Burg zu flüchten; was bezweckten sie da und wie wären sie hineingelangt?…
– Und wofür haltet Ihr denn jene Eindringlinge? fragte Meister Koltz.
»Immer ist’s die Burg, die Euch beschäftigt!« (S. 52.)
– Für übernatürliche Wesen, erwiderte Magister Hermod in einem Tone, der allgemeinen Eindruck machte. Warum sollten es denn keine Geister sein, Gnomen, meinetwegen Berggeister, vielleicht auch gar einige der höchst gefährlichen Lamies, die in der Form schöner Frauen erscheinen….«
Während dieser Aufzählung hatten sich alle Blicke nach der Thür, den Fenstern oder dem Kamine der Gaststube des »König Mathias« gerichtet.
Das Entsetzen erreichte seinen Höhepunkt. (S. 57.)
Jeder der Anwesenden fürchtete schon, eins oder das andere jener Gespenstergebilde zu sehen, die der Schulmeister durch seine Worte erst recht heraufbeschwören konnte.
»Na, na, lieber Freund, wagte da Jonas einzuwenden, wenn jene Wesen Geister wären, so kann ich mir doch nicht erklären, weshalb sie ein Feuer angezündet haben sollten, da sie doch offenbar nichts zu kochen hätten….
– Nun, ihre Hexentränke? fiel der Hirt ein. Habt Ihr denn ganz vergessen, daß Feuer dazu gehört, diese zu brauen?
– Natürlich,« bestätigte der Schulmeister in einem Tone, der jeden Widerspruch abschnitt.
Diese Ansicht fand also allgemeine Zustimmung, und nach der Ueberzeugung Aller waren es unzweifelhaft übernatürliche Wesen, nicht menschliche Geschöpfe, die das Karpathenschloß zum Schauplatz ihrer Ränke und Schliche erwählt hatten.
Bisher hatte sich Nic Deck an dem Gespräche noch gar nicht betheiligt. Der Forstwächter begnügte sich, aufmerksam anzuhören, was die Einen oder die Anderen sagten. Die alte Burg mit ihren geheimnißvollen Mauern, mit ihrem weit zurückliegenden Ursprung und ihrem feudalen Aussehen hatte ihm immer ebenso viel Neugier wie Respect eingeflößt. Da er aber kein Feigling war, hatte er trotz des Aberglaubens, der ihn nicht weniger erfüllte, als jeden anderen Bewohner von Werst, doch wiederholt Lust verspürt, jene Mauer zu übersteigen.
Natürlicherweise hatte ihn Miriota von einem so gefährlichen Vorhaben hartnäckig zurückzuhalten gesucht. Solche Gedanken mochte er nach Gefallen hegen, so lange er noch frei war; ein Verlobter gehört sich aber nicht mehr selbst an, und wenn er sich in solche Abenteuer einließ, so wäre das die That eines Narren oder eines gegen seine heiligsten Pflichten gleichgiltigen Menschen gewesen. Und doch fürchtete das hübsche Mädchen immer, daß der Waldwächter einmal seine Absicht ausführen könnte. Nur das Eine beruhigte sie ein wenig, daß Nic Deck nicht ausdrücklich erklärt hatte, sich nach der Burg begeben zu wollen, denn kein Mensch – selbst sie nicht – hätte dann Macht genug über den jungen Mann gehabt, ihn zurückzuhalten. Sie wußte, daß er ein worthaltender Bursche war, der auch that, was er thun zu wollen gesagt hatte. Miriota hätte gewiß die schwerste Beklemmung empfunden, wenn sie
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