Das Karpathenschloß
worden, der nur noch auf ihn wartete, um in die andere Welt überzusiedeln; doch hatte der Arzt versprochen zu erscheinen, sobald er sich seiner Pflichten im Sterbehause entledigt haben würde.
In Erwartung des Exkrankenwärters schwatzte man von dem höchst ernsthaften Tagesereignisse, doch nicht, ohne dabei tüchtig zu essen und zu trinken. Den Hungrigen bot Jonas eine Art Backwerk oder Maiskuchen, hier unter dem Namen »Mamaliga« bekannt, der wirklich gar nicht so übel schmeckt, wenn man ihn in frischer Milch aufweicht. Den Anderen brachte er ungezählte kleine Gläser mit jenem starken Branntwein, der wie Wasser durch die rumänischen Kehlen rinnt, dem gewöhnlichen spritreichen Schnaps, der nur einen einzigen Kreuzer das Glas kostet, noch mehr aber von dem »Rakion«, d. i. ein sehr alkoholhaltiger Pflaumenbranntwein, von dem im Lande der Karpathen sehr viel umgesetzt wird.
Wir müssen hier einflechten, daß der Gastwirth Jonas – es war einmal so Sitte im Hause – nur »auf dem Teller« servirte, das heißt den Leuten, die an einem Tische Platz genommen hatten, da es ihm nicht entgangen war, daß die sitzenden Kunden allemal mehr verzehrten als die stehenbleibenden. Heute Abend schien das Geschäft blühen zu sollen, denn alle Schemel und Bänke waren von bekannten Gästen besetzt. So mußte Jonas immer mit Kannen in der Hand von einem Tisch zum andern gehen, nur um die sich immer wieder leerenden Becher zu füllen.
Es war jetzt halb neun Uhr Abends. Man verhandelte schon seit der Dämmerung, ohne sich darüber zu verständigen, was wohl zu thun sei. In einem Punkte stimmten die wackeren Leute jedoch alle überein, darin nämlich, daß das Karpathenschloß von Unbekannten bewohnt sei und für die Dorfschaft Werst eine ebenso große Gefahr bilde, wie etwa eine Pulvermühle am Eingange einer Stadt.
»Die Sache ist sehr ernst! meinte Meister Koltz.
– Sehr ernst! wiederholte der Magister zwischen zwei tüchtigen Rauchwolken aus der von ihm unzertrennlichen Pfeife.
– Ungemein ernst! ließen alle Uebrigen sich vernehmen.
– Vorzüglich steht Eines fest, nahm da Jonas das Wort, daß der üble Ruf der Burg unserem Lande schon viel geschadet hat….
– Und jetzt wird das nur umsomehr der Fall sein, rief der Magister Hermod.
– Fremde kamen ohnehin nur selten hierher… stieß Meister Koltz mit einem Seufzer hervor.
– Und nun wird sich gar keiner mehr sehen lassen! fügte Jonas, ebenso seufzend wie der Biró, hinzu.
– Eine Menge Einwohner denken schon daran, die Gegend zu verlassen! bemerkte einer der Trinkenden.
– Und ich zwar zuerst, meldete sich ein Bauer aus der Nachbarschaft; ich ziehe von hier fort, sobald ich meine Weinberge verkauft habe….
– Nun, Käufer dafür werdet Ihr schwerlich finden, alter Freund!« versetzte der Gastwirth.
Der Leser erkennt hier, um was das Gespräch der Leute sich drehte. Zu dem Schrecken, den ihnen das Karpathenschloß selbst einflößte, gesellte sich noch die drohende Verletzung ihrer geschäftlichen Interessen. Blieben die Reisenden aus, so hatte Jonas in seinem Gewerbe davon den Nachtheil, so hinkte es bei Meister Koltz mit den Einnahmen von Weggeldern, deren Ertrag sicherlich zusammenschmolz; fehlte es an Kaufliebhabern für die Ländereien in Vulcan, so konnten die jetzigen Besitzer diese also nicht, selbst zu niedrigem Preise, los werden. Wenn das schon mehrere Jahre lang andauerte, so drohte diese beklagenswerthe Lage der Dinge sich jetzt noch fühlbarer zu verschlechtern.
Natürlich, wenn die Geister der Burg sich früher so still verhielten, daß sie nicht das Geringste von sich sehen ließen, wie sollte es jetzt werden, wo sie ihre Anwesenheit durch greifbare Thatsachen zu erkennen gaben?
Da glaubte der Schäfer Frik sein Licht leuchten lassen zu sollen, und er sagte, wenn auch mit zaghafter Stimme:
»Vielleicht sollte man doch…
– Was? fragte Meister Koltz.
– Einmal hingehen und selbst nachsehen, Herr Richter.«
Alle starrten einander an, senkten dann die Augen, und jene Frage blieb ohne Antwort.
Da nahm Jonas, sich an Meister Koltz wendend, wieder das Wort.
»Euer Schäfer, sagte er, hat doch am Ende den einzigen richtigen Vorschlag gemacht, der über die Sache Klarheit verschaffen könnte.
– Nach der Burg zu gehen…
– Ja wohl, lieber Freund, antwortete der Gastwirth. Steigt eine Rauchsäule aus dem Schornstein des Wartthurms, so hat man darin Feuer gemacht, und wenn man Feuer gemacht hat, so muß es doch eine Hand
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