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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nach dem Dorfe zu. Nach einstündiger Wanderung schmerzen ihn der Arm und die linke Seite des Körpers dermaßen, daß er Halt machen muß… Endlich, gerade in dem Augenblicke, wo der Doctor, um weitere Hilfe zu holen, allein nach Werst laufen will, stellen sich Meister Koltz, Jonas und Frik gerade noch zu rechter Zeit ein.
    Was dem jungen Forstwächter widerfahren und ob er schwer verletzt war, darüber vermied der Doctor Patak sich zu äußern, obwohl er sonst, wenn es sich um einen Krankheitsfall handelte, immer mit einem sehr bestimmt lautenden Urtheil bei der Hand war.
    »Liegt Einer an einer natürlichen Krankheit danieder, begnügte er sich in sehr lehrhaftem Tone zu sagen, so ist das schon ernst genug. Handelt es sich aber gar um eine übernatürliche Krankheit, die der Chort Euch in die Glieder schickt, so kann diese auch nur der Chort wieder vertreiben.«
    Bei jedem Mangel einer Diagnose erschien die Prognose bezüglich Nic Deck’s wenig beruhigend. Zum Glück waren des Doctors Worte kein Evangelium, und wie viel Aerzte seit Hippokrates und Galen haben sich getäuscht und täuschen sich noch täglich, obwohl sie dem Doctor Patak im Wissen und Können weit »über« sind. Der junge Forstwächter war ein von Natur gesunder Bursche, bei seiner kräftigen Constitution konnte man wohl erwarten, daß er sich – auch ohne Teufelshilfe – wieder aus der Schlinge zöge, freilich unter der Voraussetzung, daß er die Vorschriften des alten Krankenwärters von der Quarantaine nicht gar zu genau befolgte.
Achtes Capitel.
    Derartige Vorkommnisse waren natürlich nicht geeignet, die Bewohner von Werst zu beruhigen. Jetzt stand es außer Zweifel – es waren keine leeren Drohungen gewesen, die der »Mund des Schattens«, wie der Dichter sich ausdrücken würde, den Gästen im »König Mathias« anzuhören gegeben hatte. In unerklärlicher Weise verletzt, war Nic Deck für seinen Ungehorsam und seine Verwegenheit bestraft worden. War das nicht eine ernste Mahnung für Alle, denen es etwa einfallen sollte, seinem Beispiele zu folgen? Das beklagenswerthe Unternehmen bewies klar und deutlich, daß es unbedingt verboten sei, in das Karpathenschloß einzudringen. Wer das je wieder unternahm, setzte dabei das Leben auf’s Spiel. Wäre es dem Forstwächter gelungen, die Verbindungsmauer zu ersteigen, so wäre er wohl nimmer wieder im Dorfe erschienen.
    Die allgemeine Bestürzung in Werst, selbst in Vulcan und sogar im Thale der beiden Sil, war jetzt größer als je. Man sprach schon von nichts Geringerem als einer Auswanderung der Bewohnerschaft, und einige Zigeunerfamilien zogen wirklich lieber von hier fort, als länger in der Nachbarschaft der Burg zu weilen. Jetzt, wo sie als Zufluchtsort für übernatürliche und verderbenbringende Wesen diente, mochte kein Mensch mehr von der ganzen Gegend etwas wissen. Es blieb nur der eine Ausweg, nach irgend einen anderen Theil des Comitats zu verziehen, wenn sich die ungarische Regierung nicht etwa entschloß, das unzugängliche Nest von Grund aus zu zerstören – übrigens zweifelten die Leute hier daran, daß das Karpathenschloß mit menschlichen Hilfsmitteln allein zu zerstören wäre.
    Während der ersten Juniwochen wagte sich Niemand aus dem Dorfe hinaus, nicht einmal, um die nöthige Feldarbeit zu besorgen. Konnte denn nicht der geringste Spatenstich die Erscheinung eines, in den Eingeweiden der Erde verborgenen Geistes hervorlocken? Würde die Pflugschaar, wenn sie die Furchen schnitt, nicht ganze Schwärme von Staffii oder Strigen aufscheuchen? Und wenn man Getreide säete, würde da nicht Teufelskorn aufgehen?
    »Natürlich könnte so etwas gar nicht ausbleiben!« erklärte der Schäfer Frik in überzeugendem Tone.
    Er selbst hütete sich weislich, mit seinen Schafen nach den Weideplätzen an der Sil zurückzukehren.
    Das Dorf stand also unter der Herrschaft des Schreckens. Die Feldbestellung wurde gänzlich vernachlässigt. Die Leute hielten sich bei geschlossenen Thüren und Fenstern zu Hause. Meister Koltz zermarterte sich den Kopf, wie er seinen »Unterthanen« ein Vertrauen wieder einflößen sollte, das ihm selbst fehlte. Das einzige Mittel blieb höchstens, nach Kolosvar zu gehen und das Einschreiten der Behörden zu verlangen.
    Aus dem Schornsteine des Wartthurms war übrigens wiederholte Male eine aufsteigende Rauchsäule beobachtet worden; mit Hilfe des Fernrohres konnte man sie trotz der Dunstmassen, die wallend über das Plateau des Orgall hinzogen, deutlich

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