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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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genug unterscheiden.
    Auch die Wolken am Himmel nahmen in der Nacht eine röthliche Färbung an, als ob darunter eine Feuersbrunst wüthete, und mehrmals sah man lodernde Flammengarben über das Schloß emporschießen.
    Und dröhnte das Geheul, das den Doctor Patak so über die Maßen erschreckt hatte, nicht durch die Dickichte des Plesa zum Entsetzen der furchtsamen Bewohner von Werst?… Ja, trotz der großen Entfernung trugen wenigstens die Südwestwinde jene furchtbaren Töne, die am Rücken der Berge ihr Echo fanden, gelegentlich bis hierher.
    Nach der Meinung der schon an und für sich ziemlich beschränkten Leute sollte auch der Erdboden ein Erzittern wahrnehmen lassen, als wäre in der Karpathenkette ein alter Krater wieder in Thätigkeit getreten. Alles, was die Werstianer zu sehen, zu hören und zu fühlen glaubten, war freilich stark übertrieben. Jedenfalls lagen aber auch greifbare, nicht zu bezweifelnde Thatsachen vor, und man wird vielleicht zugeben, daß diese hinreichten, Jedem das Leben in einem so im Bann böser Geister stehenden Lande zu vergällen.
    Das Wirthshaus zum »König Mathias« blieb natürlich auch in der Folgezeit leer. Selbst ein Lazareth zur Zeit einer Epidemie hätte nicht mehr verlassen sein können. Niemand wagte es, dessen Schwelle zu überschreiten, und Jonas fragte sich schon, ob er nicht aus Mangel an Kunden sein Geschäft werde gänzlich aufgeben müssen, als die Ankunft zweier Reisender den Sachverhalt plötzlich änderte.
    Am 9. Juni gegen acht Uhr Abends wurde auf die Klinke der Gasthofthür von außen gedrückt; die Thür öffnete sich jedoch nicht, da sie von innen her verriegelt war.
    Jonas eilte aus dem Dachstübchen, in das er sich schon zurückgezogen hatte, wieder herunter. Mit der ihn erfüllenden Hoffnung, einen Gast vorzufinden, verknüpfte sich freilich auch die Furcht, dieser Gast könnte vielleicht ein böser Geist sein, dem er Abendessen und Nachtlager ohne zu überlegen abschlagen mußte.
    Vorsichtigerweise fing also Jonas, ehe er die Thür öffnete, durch dieselbe an zu parlamentiren.
    »Wer da? fragte er.
    – Zwei Reisende.
    – Lebende?
    – Freilich; sehr lebende.
    – Sind Sie sich dessen gewiß?
    – So lebend, wie nur Einer sein kann, Herr Wirth; wir werden aber bald vor Hunger umkommen, wenn Sie so grausam sind, uns noch länger hier draußen stehen zu lassen.«
    Jonas entschloß sich, den Riegel zurückzuschieben, und zwei Männer traten über die Schwelle in die Gaststube.
    Kaum waren sie darin, als sie schon für jeden von Beiden ein Zimmer verlangten, da sie in Werst vierundzwanzig Stunden Rast zu halten beabsichtigten.
    Beim Schein seiner Lampe betrachtete sich Jonas die neuen Ankömmlinge mit größter Aufmerksamkeit und erlangte dadurch die Ueberzeugung, daß es wirklich menschliche Wesen waren, mit denen er es zu thun hatte. Ein großes Glück für den »König Mathias«.
    Der Jüngere der Reisenden schien gegen dreiunddreißig Jahre alt zu sein. Von hohem Wuchs, vornehmem hübschen Gesicht, schwarzen Augen, dunkelbraunem Haar, mit sorgfältig gepflegtem Bart und etwas traurigen, aber stolzen Zügen, machte er den Eindruck eines Landedelmannes, worüber ein so scharfsichtiger Gastwirth wie Jonas gar nicht im Unklaren bleiben konnte.
     

    Jonas betrachtete sich die neuen Ankömmlinge. (S. 103.)
     
    Als Letzterer noch gefragt, unter welchem Namen er die beiden Reisenden ins Fremdenbuch einzutragen habe, erklärte der Jüngere derselben:
    »Der Graf Franz von Telek und sein Soldat Rotzko.
    – Woher, wenn ich bitten darf?…
    – Aus Krajowa.«
    Krajowa mit seinen fünfundzwanzigtausend Einwohnern ist eine der bedeutendsten Städte Rumäniens, das im südlichen Theile der Karpathen mit Siebenbürgen zusammenstößt.
    Franz von Telek war also rumänischer Abstammung – was Jonas übrigens auf den ersten Blick erkannt hatte.
    Der zweite, Rotzko mit Namen, ein großer, breitschultriger Mann von etwa vierzig Jahren, mit buschigem Schnurrbart, dickem Haupthaar und wettergebräunter Haut, zeigte eine ausgesprochene militärische Haltung. Er trug sogar einen mittelst Gurtband über die Schulter gehängten Tornister und daneben eine leichte Reisetasche in der Hand.
    Das bildete das ganze Gepäck des jungen Grafen, der als Tourist meist zu Fuß reiste. Man ersah das aus seiner Bekleidung, dem zusammengerollten Mantel, der leichten, aber regensicheren Mütze, dem um die Lenden von einem Gürtel zusammengeschnürten Rocke, an dem das walachische Messer

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