Das Karpathenschloß
begnügen müssen, seinen Gästen gute Nacht zu wünschen. Ehe er nach seinem Mansardenstübchen hinausging, sah er sich im ganzen Gastzimmer sorgsam um, horchte auf das leiseste Geräusch im Innern und von draußen und murmelte wiederholt vor sich hin:
»Wenn jene vermaledeite Stimme sie nur nicht aus dem Schlafe weckt!«
Die Nacht verlief in friedlicher Stille.
Am andern Morgen hatte sich schon sehr frühzeitig die große Neuigkeit verbreitet, daß im Gasthause zum »König Mathias« zwei Reisende abgestiegen seien, und flugs liefen eine Menge Leute vor dem Hause zusammen.
Von ihrer gestrigen Wanderung sehr ermüdet, lagen Franz von Telek und Rotzko noch in tiefem Schlummer. Es schien, als ob sie vor sieben oder acht Uhr nicht aufzustehen gedächten.
Die neugierigen Leute wurden damit auf eine harte Geduldsprobe gestellt, fanden aber doch nicht den Muth, das Gastzimmer eher zu betreten, als bis die Reisenden aus ihren Schlafzimmern gekommen wären.
Schlag acht Uhr wurden Beide gleichzeitig sichtbar.
In der Nacht war ihnen nichts Schlimmes widerfahren, denn sie gingen sorglos in der Gaststube hin und her. Dann setzten sie sich nieder, um sich durch ein Frühstück zu stärken.
Das sah doch ziemlich beruhigend aus.
Jonas, der freundlich lächelnd auf der Schwelle der nach außen führenden Thür stand, lud seine alten Stammgäste ein, ihn doch wieder mit ihrem Vertrauen zu beehren. Da der Reisende, der den »König Mathias« mit seiner Anwesenheit beehrte, ein Edelmann war – ja, ja, ein rumänischer Edelmann, und aus einer der ältesten Adelsfamilien obendrein – was konnte man dann in so vornehmer Gesellschaft zu fürchten haben?
Kurz, Meister Koltz, der sich verpflichtet fühlte, mit gutem Beispiele voranzugehen, wagte es, den auf den Leuten lastenden Bann zu brechen.
Es war gegen neun Uhr, als der Biró etwas zögernd eintrat. Fast sofort folgten ihm der Magister Hermod, drei oder vier alte Stammgäste und der Schäfer Frik. Der Doctor Patak freilich hatte sich nicht entschließen können, diese zu begleiten.
»Ich soll wieder einen Fuß in Jonas’ Haus setzen? rief er; niemals! Und wenn er mir den Besuch mit zehn Gulden bezahlte!«
Hier müssen wir zur Aufklärung eine nicht unwichtige Bemerkung einflechten. Wenn der Meister Koltz sich herbeigelassen hatte, wieder in den »König Mathias« zu gehen, so geschah das nicht allein in der Absicht, ein Gefühl der Neugier zu befriedigen, auch nicht in dem Wunsche, sich mit dem Grafen Telek in Verbindung zu setzen… nein, es war zum nicht geringen Theile das Geldinteresse, das seinen Entschluß gezeitigt hatte.
Als Durchreisender hatte der junge Graf für sich und seinen Soldaten eine Wegabgabe zu zahlen, und der Leser wird sich erinnern, daß der Ertrag derselben unmittelbar der Tasche des ersten Gemeindebamten in Werst zufloß.
Der Biró machte also seine Ansprüche in der höflichsten Form geltend, und Franz von Telek beeilte sich, wenn auch etwas verwundert über ein solches Verlangen, die merkwürdige Steuer zu entrichten.
Er lud den Meister Koltz und den Magister Hermod sogar ein, an seinem Tische ein wenig Platz zu nehmen. Beide nahmen die so freundliche Einladung – da sie nicht wohl anders konnten – stillschweigend an.
Jonas beeilte sich, verschiedene Liqueure, das Beste, was sein Keller barg, vorzusetzen. Da verlangten auch einige Bewohner von Werst für sich »eine Runde«.
So konnte man glauben, daß die kurze Zeit verstreute alte Kundschaft des Hauses den gewohnten Weg nach dem »König Mathias« bald wieder wie früher finden würde.
Nachdem Franz von Telek die örtliche Fremdensteuer berichtigt, wünschte er zu wissen, ob diese denn auch einträglich sei.
»Nicht so, wie wir es wünschten, Herr Graf, erklärte der Meister Koltz.
– Dieser Theil Transsylvaniens wird wohl nur wenig von Reisenden besucht?
– Leider recht selten, erwiderte der Biró, und das Land verdiente doch besser besucht zu werden.
– Das ist auch meine Ansicht; was ich bis jetzt davon gesehen, scheint mir alle Aufmerksamkeit von Reisenden zu verdienen. Vom Gipfel des Retyezát aus hab’ ich die schönen Thäler der Sil bewundert, die Städtchen und Flecken, die nach Osten zu sichtbar sind, und nicht minder die Bergkette, die der Karpathenstock im Hintergrunde abschließt.
– Ja, das ist Alles recht schön, Herr Graf, wunderschön, versetzte Magister Hermod, und um Ihren Ausflug noch ergiebiger zu gestalten, sollten Sie nun auch noch den Paring
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