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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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folgen, denn sie wiederholte:
    Und doch ging die Thür nicht auf, um ihn herauszulassen!… Sollte er also trotzdem nicht zu la Stilla kommen, sie in seine Arme schließen und aus der Burg entführen können?…
    »Stilla… meine geliebte Stilla!…« rief er schmerzbewegt.
    Er warf sich gegen die Thür – sie widerstand seinen Anstrengungen.
    Bereits schien der Gesang leiser zu werden… die Stimme zu erlöschen… die Schritte sich zu entfernen…
    Niederknieend suchte Franz die Flügel aus den Haspen zu heben; er zerriß sich die Hand an dem Eisenbeschlag und rief unausgesetzt nach la Stilla, deren Stimme kaum noch hörbar war.
    Da durchzuckte ihn gleich einem Blitze ein entsetzlicher Gedanke.
    »Wahnsinnig!… schrie er, sie ist wahnsinnig, da sie mich nicht wiedererkannt… mir nicht geantwortet hat! Seit fünf langen Jahren hier eingeschlossen… in der Gewalt dieses Mannes… meine arme Stilla… sie hat den Verstand verloren…
     
    Andiamo, mio cuore… andiamo
     
    Dann sprang er wieder auf; ihm flirrte es vor den Augen und er warf sich hin und her.
    »Auch ich… ich fühl’ es, daß ich den Verstand verliere!… wiederholte er. Ich fühl’ es, daß ich wahnsinnig werde… wahnsinnig wie sie…«
    Wie ein Raubthier in seinem Käfig irrte er in der Höhle hin und her…
    »Nein! rief er dann, nein!… Ich darf den Kopf nicht verlieren. Ich muß fort aus dieser Burg… Ich werde hinauskommen!«
    Jetzt stürmte er auf die erste Thür zu.
    Sie hatte sich geräuschlos geschlossen.
    Franz hatte es nicht bemerkt, als er der Stimme seiner Stilla lauschte…
    Nachdem er erst nur innerhalb der Burgmauern gefangen war, sah er sich jetzt als Gefangener in der engen Höhle.
Vierzehntes Capitel.
    Franz war wie vom Donner gerührt. Wie er schon gefürchtet, fing er an, die Fähigkeit zu denken, die Erkenntniß der Dinge um sich, die nöthige Intelligenz, daraus geeignete Schlüsse zu ziehen, nach und nach zu verlieren. Die einzige Empfindung, die ihn noch erfüllte, war die Erinnerung an la Stilla, der Eindruck, den dieser Gesang auf ihn gemacht, jene ihm so bekannten Töne, die jetzt kein Echo in der Höhle mehr wiedergab.
    War er der Spielball einer Illusion gewesen? Nein, zehntausendmal nein! Das war la Stilla, die er eben erst gehört, la Stilla, die er auf der Bastion des Schlosses gesehen hatte.
    Dann bemächtigte sich seiner wieder der Gedanke, daß sie des Verstandes beraubt sei, und dieser schreckliche Gedanke traf ihn, als hätte er sie eben zum zweitenmale verloren.
    »Wahnsinnig! rief er immer und immer wieder. Ja!… wahnsinnig… da sie meine Stimme nicht erkannt hat… da sie nicht antworten konnte… wahnsinnig… wahnsinnig!«
    Das erschien ja in der That sehr wahrscheinlich.
    Ach, wenn er sie dieser Burg entführen, sie mit nach dem Schlosse von Krajowa nehmen und sich da ihr gänzlich widmen könnte, vielleicht würde seine zärtliche Liebe ihr den Verstand zurückgeben!
    So sprach Franz, eine Beute des schrecklichsten Deliriums, für sich, und mehrere Stunden verflossen, ehe er die Herrschaft über sich einigermaßen wiedergewann.
    Jetzt bemühte er sich, alles kalt zu überlegen und sich in dem Chaos seiner Gedanken zurechtzufinden.
    »Ich muß von hier entfliehen… sagte er. Doch wie?… Sobald man diese Thür wieder öffnen wird!… Ja, ja, während meines Schlafes kommt ja Einer, mir Speise und Trank zu bringen. Ich werde den Mann erwarten… werde mich schlafend stellen…«
    Da erwachte ein Verdacht in ihm, nämlich der, daß das Wasser irgend einen betäubenden Zusatz enthalten möge… Wenn er in einen solchen Todtenschlaf verfallen, einer solchen vollständigen Lähmung unterlegen war, so lag das daran, daß er von diesem Wasser getrunken hatte. Nun wohl… er würde nicht mehr davon trinken… auch die Speisen wollte er nicht anrühren, die auf dem Tische standen… Einer von den Leuten der Burg mußte ja wohl bald eintreten, und dann…
    Bald?… Ja, was wußte er denn? Stieg die Sonne jetzt am Himmel empor oder verschwand sie hinter dem Horizonte? War es Tag oder Nacht? Franz bemühte sich, das Geräusch von Schritten zu vernehmen, die sich etwa der Thür näherten. Doch kein Laut drang bis zu ihm; er drückte sich mit glühendem Kopfe, starren Blicken und summenden Ohren schwer athmend an der Wand des engen Raumes hin, dessen schwere Atmosphäre, die sich durch die Thürspalten kaum erneuerte, ihn zu ersticken drohte…
    Plötzlich traf ihn an einem Pfeiler der rechten Wandseite ein

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