Das Karpathenschloß
nicht konnte, denn wenn sein Versuch scheiterte, so hätte ihn der Baron jedenfalls mit dem Leben entgelten lassen, daß er seine Geheimnisse belauscht hatte.
Wenige Minuten nach Orfanik betrat noch ein anderer Mann die Kapelle. Das war der Baron Rudolph von Gortz.
Die unvergeßliche Physiognomie desselben hatte sich nicht verändert. Er schien kaum gealtert zu haben, denn noch immer war sein Gesicht, das die Laterne beleuchtete, so blaß und länglich wie früher, das nach rückwärts gestrichene Haar ebenso halb ergraut und sein Auge bis tief zum Grunde so funkelnd wie vor Jahren.
Rudolph von Gortz trat näher heran, um die Arbeit Orfanik’s zu prüfen.
»Ist die Verbindung mit der Kapelle hergestellt, Orfanik?« (S. 178.)
Dabei wurden zwischen beiden Männern mit gedämpfter Stimme folgende Worte gewechselt.
Fünfzehntes Capitel.
»Ist die Verbindung mit der Kapelle hergestellt, Orfanik?
– Eben werd’ ich damit fertig.
– In den Kasematten der Bastion ist auch Alles vorbereitet?
– Alles.
– Jetzt ist also die Verbindung der Kapelle und der Bastion mit dem Wartthurm in Ordnung?
– Vollständig.
– Und wenn der Apparat den Strom entläßt, werden wir noch Zeit genug zum Entfliehen haben?
– Ganz gewiß.
– Ist auch nachgesehen worden, daß der nach dem Vulkan ausmündende Tunnel völlig gangbar ist?
– Natürlich, das ist geschehen.«
Es folgten nun einige Minuten des Schweigens, während der Orfanik seine Laterne wieder ergriffen hatte, deren Schein er durch die finstern Winkel der Kapelle schweifen ließ.
»Ach, meine alte Burg, rief der Baron, die wird Einem, der deine Mauern zu erstürmen wagte, theuer zu stehen kommen!«
Rudolph von Gortz sprach diese Worte in einem Tone, der den jungen Grafen erbeben machte.
»Sie haben gehört, was man in Werst sprach? fragte Orfanik.
– Vor fünf Minuten erst meldete mir der Draht die Pläne, die im Gasthause zum »König Mathias« geschmiedet worden sind.
– Ist der Angriff für diese Nacht geplant?
– Nein, er wird erst mit Tagesanbruch stattfinden.
– Seit wann ist Rotzko nach Werst zurückgekehrt?
– Seit zwei Stunden mit den Polizeisoldaten, die er von Karlsburg aus mitgebracht hat.
– Nun gut; da sich das Schloß nicht mehr vertheidigen kann, stieß der Baron von Gortz hervor, so wird es wenigstens jenen Franz von Telek und alle, die ihm zu Hilfe kommen, unter seinen Trümmern begraben!«
Nach wenigen Augenblicken fuhr er fort:
»Und jener Leitungsdraht, Orfanik? Es braucht auch später Niemand zu erfahren, daß er eine Verbindung zwischen dem Schlosse und dem Dorfe Werst herstellte…
– Das soll auch Keiner erfahren; ich werde den Draht zerstören.«
Es erscheint uns nun an der Zeit, verschiedene Vorkommnisse zu erklären, die im Laufe dieser Erzählung wiedergegeben oder gestreift wurden, und deren Ursachen wohl wissenschaftlich begründet, für den Laien aber nicht sofort verständlich sind.
Jener Zeit – wir betonen ausdrücklich, daß diese Geschichte sich in den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts abspielte – war die Anwendung der Elektricität, die mit Recht als »die Seele des Weltalls« betrachtet wird, zur höchsten Vollkommenheit gediehen. Der berühmte Edison und seine Nachfolger hatten ihr Werk selbst übertroffen.
Unter anderen Apparaten fungirte das Telephon mit so wunderbarer Sicherheit, daß die von der Schallplatte aufgenommenen Töne ohne Hilfe eines Hörrohres deutlich zum Ohre drangen. Was da gesprochen, gesungen und geflüstert wurde, konnte man auf jede beliebige Entfernung hin verstehen, und zwei durch tausende von Meilen getrennte Personen plauderten miteinander, als ob sie sich Auge in Auge gegenüber am Tische säßen. 1
Schon seit Jahren konnte Orfanik, der Unzertrennliche des Barons Rudolph von Gortz, bezüglich der praktischen Verwendung der Elektricität als ein Erfinder ersten Ranges gelten. Bekanntlich fanden aber seine wunderbaren Erfindungen nicht die verdiente Aufnahme. Die gelehrte Welt sah in dem Mann nicht ein Genie, sondern nur einen Narren; das erklärt auch den unversöhnlichen Haß, den der arme, überall abgewiesene und gekränkte Mann seinen Mitmenschen geschworen hatte.
Unter solchen Umständen traf der Baron von Gortz mit dem vom Unglück verfolgten Orfanik zusammen. Er ermuthigte ihn in seinen Arbeiten, stellte ihm seine Börse zur Verfügung und nahm den Mann schließlich ganz in seine Dienste, freilich unter der Bedingung, daß er allein
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