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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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frischer Lufthauch.
    Hier befand sich also eine Oeffnung, durch die etwas Luft von außen eindringen konnte?
    Ja… hier war die Mauer durchbrochen, doch in einer Weise, daß man es im Schatten des Pfeilers nicht wahrnehmen konnte.
    Sich dahinein zu zwängen, einer ungewissen Helligkeit, die von oben einzufallen schien, entgegenzukriechen, war für den jungen Grafen das Werk eines Augenblicks.
    Jenseits der schachtartigen Oeffnung traf er auf einen kleinen, fünf bis sechs Fuß breiten Hof, dessen Mauern wohl hundert Fuß hoch emporstiegen. Das Ganze sah aus wie der Boden eines Schachtes, der für jene unterirdische Zelle etwa als Gefangnenhof diente, und in den etwas Luft und Licht hinunterfiel.
    Franz sah nun, daß es noch Tag war. An der oberen Mündung dieses Schachtes spielte ein gegen die Steinfassung schräg einfallender Strahl.
    Die Sonne hatte also wenigstens die Hälfte ihres Tagesbogens zurückgelegt, denn der erhellte Streifen wurde immer kleiner.
    Es mochte gegen fünf Uhr Nachmittags sein. Franz schloß daraus, daß er mindestens vierzig Stunden lang geschlafen haben müsse, und nun zweifelte er erst recht nicht mehr, daß das durch eine einschläfernde Arznei geschehen sei.
    Da der junge Graf und Rotzko vorgestern, am 11. Juni, das Dorf Werst verlassen hatten, so mußte jetzt der 13. zur Neige gehen.
    So feucht die Luft im Hofe dieses Grundes auch war, athmete sie Franz doch in vollen Zügen ein und fühlte sich dadurch ein wenig erquickt. Wenn er aber gehofft hatte, daß er längs dieser Steinwand vielleicht entfliehen könnte, sah er sich jetzt schnell enttäuscht. An den glatten Flächen, die nirgends einen Vorsprung boten, emporzuklettern, erschien völlig unausführbar.
    Franz kehrte nach dem Innern der Höhle zurück. Da er durch keine der beiden Thüren entfliehen konnte, wollte er nachsehen, in welchem Zustande sich diese befänden.
    Die erste Thür, durch die er hereingekommen war, erwies sich als sehr fest und dick und war jetzt gewiß von außen mit starken, in eisernen Krampen liegenden Riegeln verschlossen. Deren Füllung durchbrechen zu wollen, mußte also ganz vergeblich sein.
    Die zweite Thür, – hinter der er la Stilla’s Stimme gehört – schien weniger gut erhalten zu sein. Deren Planken waren da und dort angefault… Vielleicht war es gar nicht so schwer, sich hier einen Ausgang zu eröffnen.
    »Ja… hier… hier muß ich hindurch!« redete Franz, der seine Kaltblütigkeit wiedergewonnen hatte, sich selbst anfeuernd zu.
    Er hatte jedoch keine Zeit zu verlieren, denn es war ja möglich, daß Jemand nach der Höhle kam, wenn man ihn durch das Wasser im Kruge eingeschlummert wähnte.
    Die Arbeit ging schneller vor sich, als er erwartet hatte. Moder und Schimmel hatten das Holz in der Umgebung des Eisenbeschlages, der die Riegelbolzen zurückhielt, theilweise schon zerstört. So gelang es Franz, mit seinem Messer die mittlere Planke auszuschneiden, wobei er sorgsam jedes Geräusch vermied und dann und wann einhielt und horchte, um zu erfahren, ob er nichts von außen her vernähme.
    Nach drei Stunden vermochte er die Riegel zurückzuschieben und, in ihren Angeln knarrend, öffnete sich die Thür.
    Franz kehrte erst noch einmal nach dem kleinen Hofe zurück, um in weniger erstickender Luft zu athmen.
    Jetzt war der Lichtschein an der Schachtmündung nicht mehr sichtbar, ein Beweis, daß die Sonne bereits hinter dem Retyezat versanken war. Der Hof lag in tiefer Finsterniß. Ueber dem Oval seines oberen Randes glänzten einzelne Sterne so, als hätte man sie durch ein Teleskop gesehen. Kleine Wolken zogen, getrieben von dem zeitweilig aussetzenden Winde, der sich in der Nacht zu legen pflegt, langsam über den Himmel hin. Die ganze Färbung der Atmosphäre aber ließ erkennen, daß der Mond, der jetzt fast halb voll war, den Kamm der östlichen Bergwand schon überstiegen hatte.
    Es mochte nun etwa neun Uhr Abends sein.
    Franz kehrte zurück, um ein wenig zu essen und seinen Durst aus dem Wasserstrahl zu löschen, nachdem er den Inhalt des Kruges ausgegossen hatte. Dann befestigte er sich das Messer im Gürtel und begab sich durch die Thür, die er hinter sich zuschlug.
    Sollte er jetzt vielleicht der unglücklichen la Stilla in diesen unterirdischen Gallerien begegnen?… Bei diesem Gedanken schlug sein Herz so heftig, als ob es zerspringen sollte.
    Nach wenigen Schritten stieß er an eine Stufe. Hier begann also seiner Voraussetzung entsprechend eine Treppe, deren Stufen er beim

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