Das Karpathenschloß
aufkommen lassen konnte.
Wie lange dieser Schlaf gedauert habe, konnte Franz, als er daraus erwachte, nicht abschätzen. Seine inzwischen stehen gebliebene Uhr zeigte ihm nicht mehr die Stunde. Die Höhle war aber jetzt wieder mit mattem Lichte erfüllt.
Franz verließ das Lager und that einige Schritte nach der ersten Thür; diese stand noch immer offen; – dann nach der zweiten, diese war geschlossen wie vorher.
Er wollte jetzt nachdenken, doch das gelang ihm nur mit Mühe.
War sein Körper vom Vortage her noch von der Anstrengung erschöpft, so fühlte er heute eine merkwürdige Leere, einen belästigenden Druck im Kopfe.
»Wie lange mag ich geschlafen haben? fragte sich Franz. – Ist es jetzt Tag oder Nacht?«
Im Innern der Höhle war nichts verändert, außer daß das Licht wieder brannte und eine unsichtbare Hand die Speisen erneuert und den Krug wieder mit klarem Wasser gefüllt hatte.
Demnach mußte also doch Jemand hier gewesen sein, während Franz in wahrhaftem Todtenschlummer lag! Es mußte Andern bekannt sein, daß er sich hier in der Tiefe unter der Burg befand! Er war in der Gewalt des Barons Rudolph von Gortz… und vielleicht gar verdammt, nie wieder mit Seinesgleichen in Berührung zu kommen?
Das schien doch kaum glaublich, und übrigens würde er fliehen, da er das noch konnte, würde er auch den Rückweg nach dem Ausfallsthore wieder finden und das Schloß verlassen…
Franz lauschte mit angehaltenem Athem. (S. 168.)
Verlassen?… da erinnerte er sich, daß sich das Thor ja hinter ihm geschlossen hatte…
Nun, dann wollte er die Umfassungsmauer zu erreichen suchen, sich durch eine der engen Schießscharten zwängen, versuchen, an der Außenseite hinabzugleiten… um jeden Preis aber müsse er vor Ablauf einer Stunde aus dem Schlosse entwichen sein…
Doch la Stilla… Sollte er denn darauf verzichten, bis zu ihr vorzudringen? Sollte er fortgehen, ohne sie Rudolph von Gortz entrissen zu haben?
Nein! Und wenn er dieses Ziel jetzt nicht erreichte, dann wollte er, mit der Hilfsmannschaft, die Rotzko von Karlsburg rufen sollte, seine Absicht doch erzwingen… Dann sollte die Burg erstürmt und vom Grund bis zum Dachfirst durchsucht werden!
Nach dieser Erwägung handelte es sich nur um schleunigste Durchführung seines Entschlusses.
Franz erhob sich, eilte nach dem Gange zu, durch den er hierher gekommen war… doch horch! da wurde hinter der zweiten Thür der Höhle ein leises Geräusch hörbar.
Das waren unzweifelhaft Schritte, die näher herankamen.
Franz preßte das Ohr an die Thürfüllung und lauschte mit angehaltenem Athem.
Die Schritte wiederholten sich in regelmäßigen Zwischenräumen, als ob Jemand langsam eine Treppe herunterkäme. Gewiß befanden sich jenseits der Thür wieder Stufen, über die man aus dieser Höhle nach dem inneren Schloßhofe gelangte.
Um gegen jede Ueberraschung gesichert zu sein, zog Franz das Messer aus der Scheide, die an seinem Gürtel hing, und packte es fest mit der Hand.
An den glatten Wänden emporzuklettern, erschien völlig unausführbar. (S. 173.)
Wenn es einer der Diener des Barons von Gortz war, der bei ihm einträte, so wollte er sich über diesen werfen, ihm die Schlüssel entreißen und jede Verfolgung unmöglich machen; dann gedachte er unter Benutzung dieses freien Ausgangs nach dem Wartthurm vorzudringen.
War es aber der Baron von Gortz selbst – und ihn erkannte er sicherlich wieder, nachdem er den Mann in dem Augenblicke gesehen, wo la Stilla auf der Bühne des San Carlo-Theaters niedersank – so wollte er ihn ohne Mitleid niederstoßen.
Inzwischen waren die Schritte bis zu dem Absatze, der die äußere Schwelle bilden mochte, herangekommen.
Ohne sich zu rühren, wartete Franz, daß die Thür aufgehen sollte…
Sie öffnete sich aber nicht, dagegen drang eine unendlich sanfte Stimme an das Ohr des jungen Grafen.
Das war die Stimme la Stilla’s… ja… nur ein wenig schwächer, doch mit all’ dem Liebreiz, der Biegsamkeit, den einschmeichelnden Modulationen der höchsten Kunst des Gesanges, die mit der Künstlerin gestorben zu sein schien.
La Stilla wiederholte das Klagelied, das Franz schon einmal in Schlaf gewiegt hatte, als er im Gastzimmer des »König Mathias« in Werst saß.
Nel giardino de’ mille fiori,
Andiamo mio cuore
Diese Töne drangen Franz bis in die tiefste Seele… Er saugte sie ein, er trank sie wie einen Göttertrank, während la Stilla ihn zu rufen schien, ihr zu
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