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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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Jahrhunderte altes Glas in allen Farben und Formen gezeigt wurde. Danach sahen wir uns eine Glasbläserei an, wo vor den Augen der vielen Touristen Becher und Glasschüsseln geblasen wurden. Die Produkte wurden dann zum Kauf angeboten, aber Vater meinte, wir sollten das aus finanziellen Gründen den reichen Amerikanern überlassen.
    Von der Glasbläserinsel fuhren wir mit dem Motorboot-Taxi zurück zum Parkhaus, und schon um eins fuhren wir auf der Autostrada in Richtung Ancona, dreihundert Kilometer südlich von Venedig. Die Straße zog sich an der Adriaküste hin, und Vater pfiff und fühlte sich ungeheuer wohl, jetzt, wo er Blickkontakt zum nassen Element hatte. Manchmal, wenn wir über einen Höhenzug mit besonders gutem Blick aufs Meer kamen, hielt er an und kommentierte die Segelboote und Frachter, die wir von dort aus sehen konnten.
    Wieder im Auto, erzählte er mir von Arendals Vergangenheit als Seefahrerstadt und schmiß nur so mit Jahreszahlen und Namen großer Segelschiffe um sich. Er erklärte mir die Unterschiede zwischen Schonern und Briggs, Barken und Vollschiffen, und ich hörte zum ersten Mal von Arendaler Schiffen, die in der Frühzeit der Seefahrt nach Amerika und zum Golf von Mexiko gesegelt waren. Und ich erfuhr, daß das erste Dampfschiff, das jemals Norwegen besuchte, in Arendal angelegt hat. Es war ein umgebautes Segelschiff, das eine Dampfmaschine und ein Schaufelrad erhalten hatte. Es hieß Savannah .
    Vater war auf einem Motortanker gefahren, der in Hamburg gebaut worden war und der Reederei Kuhnle in Bergen gehörte, ein Schiff mit über achtzigtausend Bruttoregistertonnen und einer Besatzung von vierzig Mann.
    »Heutzutage sind die Tanker viel größer«, erzählte er. »Aber die Besatzung hat man auf acht bis zehn Mann reduziert. Alles läuft mit Maschinen und Technik. Das Leben auf See ist nur noch eine alte Geschichte, Hans-Thomas – das eigentliche Leben auf See. Im nächsten Jahrhundert werden irgendwelche Idioten alles vom Land aus fernsteuern.«
    Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, konnte vom richtigen Leben auf See, seit vor hundertfünfzig Jahren die Zeit der Segelschiffe zu Ende gegangen war, immer weniger die Rede sein.
    Während Vater erzählte, zog ich meine Karten hervor. Ich suchte alle Kreuz von Zwei bis Zehn heraus und legte sie neben mich auf den Sitz.
    Warum hatten alle Zwerge auf der magischen Insel Kreuzsymbole auf dem Rücken? Wer waren sie – und woher kamen sie? Ob der Bäcker-Hans wohl jemanden finden würde, mit dem er richtig über das Land reden konnte, in das er geraten war? Mein Kopf war ganz heiß von so vielen unbeantworteten Fragen.
    Kreuz Zwei hatte außerdem etwas gesagt, das mir nicht aus dem Sinn ging: »Goldfisch verrät nicht Inselgeheimnis, wohl aber Brötchen.« – Konnte es sein, daß er über den Goldfisch des Bäckers in Dorf sprach? Und das Brötchen – konnte das dasselbe Brötchen sein, das ich in Dorf bekommen hatte? Wie hatte Kreuz Fünf gesagt: »Bäcker verbirgt Schätze von magischer Insel.« Aber woher sollten die Zwerge, die der Bäcker-Hans Mitte des letzten Jahrhunderts kennengelernt hatte, etwas von diesen Dingen wissen?
    Die nächsten zwanzig Kilometer ungefähr pfiff Vater Shanties, die er als Seemann gelernt hatte. Und ich griff verstohlen zum Brötchenbuch und las weiter.

KREUZ DREI
    ... ein schweres Kreuz...
     
     
     
    Ich ging in dieselbe Richtung, in der die drei Männchen mit ihrem Wagen verschwunden waren. Der Fahrweg schlängelte sich zwischen hohen Laubbäumen dahin; die grelle Nachmittagssonne ließ Funken aus den Blättern sprühen.
    Auf einer Lichtung im Laubwald stand ein großes Holzhaus; aus zwei Schornsteinen stieg schwarzer Rauch. Von weitem sah ich, wie eine rotgekleidete Gestalt ins Haus schlüpfte.
    Bald stellte sich heraus, daß dem Holzhaus eine Außenwand fehlte, und was ich im Innern sah, überraschte mich so, daß ich mich an einen Baum lehnen mußte, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten: Ein riesiger Raum ohne Trennwände barg eine Art Fabrik. Es dauerte nicht lange, bis ich begriff, daß es sich um eine Glashütte handeln mußte.
    Das Dach des Hauses wurde von dicken Balken getragen. Über drei oder vier massiven Holzöfen standen große Gefäße aus weißem Stein. Darin blubberte eine rotglühende Flüssigkeit, von der dicker Dampf aufstieg. Zwischen den Gefäßen liefen drei kleine Frauen herum, alle von derselben Größe wie die Erdmännchen. Sie tauchten lange Rohre in die Glasmasse in

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