Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
Vom Netzwerk:
den Gefäßen und bliesen daraus verschieden geformte Gläser. Am einen Ende des großen Raums war ein Sandhaufen aufgeschüttet; am anderen stapelten sich in Regalen an der Wand fertige Glaswaren aller Art. Mitten im Raum befand sich außerdem ein meterhoher Berg aus zerbrochenen Flaschen, Gläsern und Schüsseln.
    Ich fragte mich wieder, in was für ein Land ich da wohl geraten war. Wenn ich von den seltsamen Uniformen absah, hätten die Winzlinge auf der Insel auch in einer Steinzeitgesellschaft leben können. Nun stellte sich heraus, daß sie Meister der Glasherstellung waren.
    Die Frauen, die in der Glashütte arbeiteten, trugen rosa Kleider. Ihre Haut war fast weiß, und alle drei hatten lange, struppige, silberfarbene Haare. Ich brauchte sie nicht lange zu betrachten, bis ich feststellte, daß ihre Kleider Karosymbole auf der Brust hatten. Karos wie die im Kartenspiel. Bei einer waren es drei, bei der zweiten sieben und bei der dritten neun. Der einzige Unterschied zu den Kartenkaros war, daß diese hier silbern waren.
    Die drei Frauen waren so sehr ins Glasblasen vertieft, daß sie mich nicht entdeckten, obwohl ich doch gleich vor der fehlenden Wand stand. Sie trippelten hin und her und bewegten so luftig und leicht ihre Arme, daß sie ganz schwerelos wirkten. Wenn eine von ihnen zur Decke hochgeschwebt wäre, hätte mich das auch nicht mehr überrascht.
    Plötzlich entdeckte mich eine von ihnen: die mit den sieben Karos auf dem Kleid. Für einen Augenblick überlegte ich, ob ich davonlaufen sollte, aber als sie aufblickte, war sie so verwirrt, daß sie eine Glasschüssel fallen ließ. Die Schüssel zerbrach, und nun war es zu spät zum Davonlaufen, denn jetzt starrten sie mich alle an.
    Ich ging ins Haus, machte eine tiefe Verbeugung und begrüßte sie auf deutsch. Sie tauschten Blicke und lächelten so breit, daß ihre weißen Zähne im Licht der glühenden Öfen blinkten. Ich ging auf sie zu, und sie umringten mich.
    „Ich hoffe, mein kleiner Besuch kommt nicht ungelegen“, sagte ich.
    Sie wechselten wieder Blicke und lächelten noch breiter als zuvor. Alle drei hatten tiefblaue Augen und sahen einander so ähnlich, daß sie aus einer Familie stammen mußten. Vielleicht waren sie Schwestern.
    „Versteht ihr, was ich sage?“
    „Wir verstehen alle normalen Wörter“, sagte Karo Drei mit dünner Puppenstimme.
    Danach redeten sie alle drei wild durcheinander. Zwei machten sogar einen Knicks, und Karo Neun trat auf mich zu und nahm meine Hand. Mir fiel auf, daß ihr dünnes Händchen eiskalt war, obwohl es in der Glashütte alles andere als kühl war.
    „Ihr seid gute Glasbläserinnen“, sagte ich, und sie lachten ein perlendes Lachen.
    Vielleicht waren die Glasmädchen netter als die hitzigen Erdmännchen, aber sie waren mindestens genauso unzugänglich.
    „Sagt, wer hat euch die Glasbläserkunst beigebracht?“ fragte ich, denn ich ging davon aus, daß sie diese Kunst bestimmt nicht selber erfunden hatten.
    Noch immer bekam ich keine Antwort, dafür holte Karo Sieben eine Glasschüssel und überreichte sie mir.
    „Bitte schön“, sagte sie.
    Und wieder prusteten die Mädchen los.
    Bei soviel Freundlichkeit fiel es mir nicht leicht, auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen zu kommen. Aber wenn ich nicht bald herausfände, was es mit diesen wunderlichen Zwergen auf sich hatte, würde ich den Verstand verlieren.
    „Ich bin gerade auf dieser Insel angekommen“, setzte ich wieder an. „Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo in aller Welt ich mich befinde. Könnt ihr mir nicht etwas darüber erzählen?“
    „Wir können nicht reden...“, sagte Karo Sieben.
    „Hat es euch jemand verboten?“
    Alle drei schüttelten den Kopf, und die silberfarbenen Haare flatterten im Schein der Öfen.
    „Wir können gut Glas blasen“, sagte Karo Neun. „Aber denken können wir nicht so gut. Deshalb können wir auch nicht so gut reden.“
    „Das ist ja wirklich ein schweres Kreuz“, sagte ich, und über diese Bemerkung wollten die drei sich ausschütten vor Lachen.
    „Wir sind doch keine Kreuz“, sagte Karo Sieben. Sie schwenkte ihr Kleid und fügte hinzu: „Siehst du nicht, daß wir Karos sind?“
    „Ihr blöden...!“ rutschte es mir heraus, und die drei fuhren zusammen.
    „Nicht böse werden“, bat Karo Drei. „Wir werden sehr schnell traurig und unglücklich.“
    Ich wußte nicht so recht, ob ich ihr glauben sollte; sie lächelte so überzeugend, daß ich fand, es brauche wohl mehr als ein

Weitere Kostenlose Bücher