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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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zu finden war. Es gab nichts aus Metall; alles war aus Ton, Holz und Stein. Nur ein Material zeugte vom Einfluß der Zivilisation: Es gab hier auch Tassen und Becher, Lampen und Schüsseln aus Glas. Überall in dem kleinen Zimmer standen außerdem große Gläser mit Goldfischen. Und auch die kleinen Fenster des Hauses hatten Glasscheiben.
    „Mein Vater war Glasbläsermeister“, erzählte der Alte, als könnte er meine Gedanken lesen. „Dieses Handwerk hatte ich auch gelernt, ehe ich zur See gegangen war, und hier auf der Insel konnte ich es gut gebrauchen. Nach einiger Zeit fing ich an, verschiedene Arten von Sand zu schmelzen, und bald konnte ich in Öfen, die ich aus einer feuerfesten Sorte Stein gebaut hatte, eine erstklassige Glasmasse schmelzen. Ich taufte diese Steinsorte Dorfit, weil ich sie in den Bergen nicht weit vom Dorf gefunden hatte.“
    „In der Glashütte war ich schon“, sagte ich.
    Der Alte fuhr herum und schaute mich mürrisch an.
    „Du hast doch wohl nichts gesagt?“
    Ich war nicht sicher, ob ich begriff, was er damit meinte, wenn er immer wieder fragte, ob ich den Zwergen „etwas gesagt“ hätte.
    „Ich habe nur nach dem Weg ins Dorf gefragt“, antwortete ich.
    „Gut. Und jetzt trinken wir beide ein Glas Tuff.“
    Wir setzten uns auf zwei Hocker an einen Tisch aus einem dunklen Holz, wie ich es noch nie gesehen hatte. Frode füllte zwei bauchige Gläser mit einem braunen Getränk aus einem großen Glaskrug und zündete eine Öllampe an, die von der Decke hing.
    Vorsichtig kostete ich das braune Getränk. Es schmeckte wie eine Mischung aus Kokos und Zitrone. Noch lange nach dem Schlucken saß mir ein säuerlicher Geschmack im Mund.
    „Na, was sagst du?“ fragte der Alte erwartungsvoll. „Du bist der erste echte Europäer, dem ich Tuff anbiete.“
    Ich antwortete wahrheitsgemäß, daß ich das Getränk wohlschmeckend und erfrischend fand.
    „Gut!“ sagte er noch einmal. „Und jetzt muß ich dir von meinen kleinen Helfern erzählen. An die denkst du ja wohl die ganze Zeit, mein Junge.“
    Ich nickte. Und der Alte erzählte weiter.

KREUZ ZEHN
    ... ich konnte nicht begreifen, wie etwas aus nichts entstehen konnte...
    Ich legte die Lupe und das Brötchenbuch auf den Nachttisch und lief ein bißchen in der Kabine hin und her. Ich mußte nachdenken über das, was ich gelesen hatte.
    Frode hatte zweiundfünfzig lange Jahre auf dieser seltsamen Insel gelebt, und eines Tages hatte er offenbar die trägen Zwerge entdeckt. Oder waren die Zwerge lange nach Frode auf die Insel gekommen? Auf jeden Fall mußte Frode den Karos die Glasbläserkunst beigebracht haben. Und er hatte sicher auch den Kreuzen die Landwirtschaft, den Herzen das Brotbacken und den Pik das Tischlern beigebracht. Aber wer waren diese Zwerge?
    Ich wußte, daß diese Frage wahrscheinlich beantwortet werden würde, wenn ich einfach weiterläse; ich war mir nur nicht sicher, ob ich mich auch traute, solange ich ganz allein in der Kabine war.
    Ich schob den Vorhang vor dem Fenster beiseite – und schaute genau in ein kleines Gesicht. Das war der Zwerg! Er stand draußen auf der Laufbrücke und starrte zu mir herein. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann rannte er weg. Ihm war klar, daß ich ihn entdeckt hatte.
    Ich hatte so schreckliche Angst, daß ich eine Weile stocksteif stehenblieb. Nur die Vorhänge zog ich wieder vor. Schließlich ließ ich mich aufs Bett fallen und weinte. Ich kam gar nicht auf die Idee, daß ich die Kabine verlassen und zu meinem Vater in die Bar gehen könnte. Mein Mut reichte gerade noch dazu, den Kopf im Kissen zu vergraben.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so dalag und weinte. Als Vater kam, muß er jedenfalls schon draußen auf dem Gang ein wildes Kriegsgeheul gehört haben, denn er riß fast die Kabinentür aus den Angeln.
    »Was ist denn los, Hans-Thomas?«
    Er drehte mich im Bett um und versuchte, mich dazu zu bringen, daß ich die Augen aufmachte.
    »Der Zwerg«, schluchzte ich. »Ich habe den Zwerg im Fenster... der stand da... und hat mich angestarrt.«
    Es sah fast so aus, als ob Vater mit noch Schlimmerem gerechnet hätte, denn er ließ mich sofort los und lief in der Kabine auf und ab.
    »Das ist Unfug, Hans-Thomas. – Auf diesem Schiff gibt es keine Zwerge.«
    »Ich habe ihn aber gesehen«, beharrte ich.
    »Du hast einen kleinen Mann gesehen«, sagte Vater. »Das war bestimmt ein Grieche.«
    Am Ende konnte er mich fast davon überzeugen, daß ich mich geirrt hatte. Jedenfalls konnte er

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