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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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ihm Glitzergetränk und zeigt ihm die schönen Fische...«
    Es war klar, daß der Bäckersohn der Bäcker-Hans war, das hatte auch Frode schon begriffen. Das abgelegene Dorf mußte Dorf sein, und der Knabe, der seine Mutter durch eine Krankheit verloren hatte – das konnte kein anderer als Albert sein.
    Der Bäcker-Hans hatte zwei Dreien verpaßt. Wenn ich jedoch die Sätze der übrigen Dreien zusammen mit den Sätzen der Zweien las, die er gehört hatte, dann ergab sich auch hier ein klarer Zusammenhang.
    »Seemann heiratet schöne Frau, die einen Jungen bekommt, ehe sie ins Land im Süden geht, um sich selber zu finden. Vater und Sohn suchen schöne Frau, die sich nicht selber findet. Zwerg mit kalten Händen zeigt Weg ins abgelegene Dorf und gibt Jungen aus Land im Norden Lupe mit auf die Reise. Die Lupe paßt in die Kerbe vom Goldfischglas. Goldfisch verrät nicht Inselgeheimnis, wohl aber Brötchen.«
    Das alles waren klare Aussagen, aber es gab auch viele Sätze, die ich nicht verstand:
    »Die innere Schachtel packt die äußere Schachtel aus, und die äußere Schachtel packt die innere Schachtel aus... Brötchenmann ruft in magisches Rohr, und seine Stimme reicht viele hundert Meilen... Seemann spuckt starkes Getränk aus...«
    Wenn der letzte Satz bedeutete, daß mein Vater nicht mehr jeden Abend pichelte, wäre ich von ihm und der alten Prophezeiung gleich tief beeindruckt gewesen, das stand fest.
    Das Problem war, daß der Bäcker-Hans nur zweiundvierzig von zweiundfünfzig Sätzen mitbekommen hatte. Vor allem gegen Ende war er unkonzentriert gewesen, und das war vielleicht kein Wunder; denn je mehr man sich in dieses Jokerspiel vertiefte, desto weiter entfernte es sich von unserer Zeit. Frode und dem Bäcker-Hans mußte das alles ziemlich nebelhaft vorgekommen sein, und an Nebelhaftes erinnert man sich immer schwerer als an klare Aussagen.
    Aber auch heute wäre die alte Prophezeiung jedem anderen außer mir mysteriös und nebelhaft erschienen. Denn nur ich wußte, wer der Zwerg mit den kalten Händen war. Ich – und nur ich – verfügte über die Lupe. Und außer mir hätte auch niemand verstehen können, wieso das Brötchen das Geheimnis der Insel verriet.
    Ich ärgerte mich nun darüber, daß der Bäcker-Hans nicht besser aufgepaßt hatte. Nur weil er Konzentrationsprobleme hatte, würde ein Großteil der alten Weissagung bis in alle Zukunft ein verborgener Schatz bleiben – und ausgerechnet genau der Teil der Prophezeiung, der von meinem Vater und mir handelte. Ich war mir ganz sicher, daß die Zwerge auch etwas darüber gesagt hatten, ob wir Mama finden würden und ob sie mit uns nach Norwegen zurückkehrte.
    Während ich so dasaß und in dem Brötchenbuch blätterte, sah ich plötzlich einen kleinen Wicht, der hinter einem Zeitungskiosk hervorlinste. Erst hielt ich ihn für ein Kind, das sich ein Vergnügen daraus machte, mich heimlich zu beobachten, doch dann ging mir auf, daß es wieder der kleine Zwerg von der Tankstelle war. Ich sah ihn nur für einen kurzen Augenblick, dann war er verschwunden.
    Einige Sekunden lang saß ich starr vor Schreck, doch dann begann ich zu überlegen: Warum-hatte ich eigentlich solche Angst vor dem Zwerg? Es war klar, daß er mich verfolgte, aber das mußte noch lange nicht bedeuten, daß er mir übel gesinnt war. Vielleicht kannte auch er das Geheimnis der magischen Insel. Ja, vielleicht hatte er mir nur deshalb die Lupe gegeben und mich nach Dorf geschickt, weil er wollte, daß ich das Brötchenbuch las. Wenn ja, war es nicht verwunderlich, daß er wissen wollte, was nun weiter aus mir wurde. Solchen Lesestoff fand man schließlich nicht alle Tage.
    Mir fiel der Scherz wieder ein, den Vater gemacht hatte: daß der Zwerg wahrscheinlich ein künstlicher Mensch sei, den ein jüdischer Zauberer vor vielen hundert Jahren geschaffen habe. Natürlich hatte er das nicht ernst gemeint, aber wenn es so gewesen wäre, hätte der Zwerg auch Albert und dem Bäcker-Hans begegnen können.
    Weiter konnte ich im Augenblick weder denken noch lesen, denn nun kam Vater über den Platz gehetzt. Er überragte die anderen Menschen hier um einiges. Rasch steckte ich das Brötchenbuch in die Tasche.
    »Hat es zu lange gedauert?« fragte er atemlos.
    Ich schüttelte den Kopf und beschloß im stillen, daß ich ihm nichts davon erzählen würde, daß der Zwerg wieder aufgetaucht war. Daß uns ein kleiner Zwerg verfolgte, war ja im Grunde eine Kleinigkeit gegen das, was ich in dem

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