Das Kartengeheimnis
dem Himmel! Seltsam, sagt der Joker. Er mußte sich immer in den Arm kneifen, ob es auch wirklich wahr ist.“
„Tut das weh?“ fragte Herz Drei.
„Jetzt spüre ich jedesmal, daß ich existiere, wenn ein Glöckchen klingelt – und das tun sie, wie man weiß, bei der kleinsten Bewegung.“
Er hob einen Arm und schüttelte ihn so energisch, daß die Zwerge in der vorderen Reihe erschrocken zurückwichen.
Der Herz König räusperte sich und fragte: „Hast du auch herausgefunden, woher der Gummimann stammt?“
„Das habt ihr vielleicht schon selber erraten“, antwortete der Joker. „Aber jeder hat nur einen winzigen Teil des Rätsels gelöst. Das kommt davon, wenn man so wenig Grips in der Birne hat, daß man die Köpfe zusammenstecken muß, um auch nur den allereinfachsten Gedanken zu denken. Und das kommt davon, daß man zuviel Purpurlimonade getrunken hat. Der Joker sagt, er ist ein geheimnisvoller Puppenmann – aber ihr anderen seid ebenso geheimnisvoll wie er. Ihr seht es nur selber nicht. Und man spürt es auch nicht, wenn man zuviel Purpurlimonade trinkt, denn dann schmeckt man nur noch Honig und Lavendel, Kurbeeren, Ringrüben und Gramine. Man verschmilzt mit dem Garten, ohne zu spüren, daß man darin lebt . Denn wer die ganze Welt im Kopf hat, vergißt am Ende, daß er einen Mund besitzt. Und wer alle Geschmäcke der Welt in seinen Armen und Beinen spürt, vergißt, daß er ein geheimnisvoller Puppenmann ist. Der Joker hat oft und oft versucht, die Wahrheit zu erzählen, aber ihr hattet keine Ohren, um zu hören. Oder ihr hattet sie, aber die Gehörgänge waren von Äpfeln und Birnen, Erdbeeren und Bananen verstopft. Ihr hattet wohl Augen, um zu sehen, aber was hilft das, wenn die Augen nur immer nach Flaschen und Karaffen Ausschau halten? So ist das, sagt der Joker, denn nur der Joker kennt die Wahrheit.“
Die Zwerge sahen einander verwundert an.
„Woher kommt der Gummimann?“ wiederholte der Herz König noch einmal.
„Wir sind Frodes Phantasien“, sagte der Joker und breitete die Arme aus. „Aber eines Tages wurden die Phantasien so lebendig, daß sie aus seinem Kopf entsprungen sind. Unmöglich! sagt der Joker. Ebenso unmöglich wie die Sonne und der Mond, sagt er. Aber auch die Sonne und der Mond sind wahr.“
Die Zwerge im Saal blickten fragend zu Frode, und der alte Mann packte mein Handgelenk.
„Aber das ist noch nicht alles“, fuhr der Joker fort. „Denn wer ist Frode? – Er ist selber ein seltsamer Puppenmann, sagt der Joker. Springlebendig unter dem Himmel, sagt er. Er war der einzige hier auf der Insel, aber in Wirklichkeit gehört er in ein anderes Spiel. Wie viele Karten dieses Spiel hat, weiß man nicht. Und man weiß auch nicht, wer dabei die Karten austeilt. Der Joker weiß nur eins: Auch Frode ist ein Puppenmann, der sich eines Morgens quicklebendig in der Luft entdeckt hat. Aus welchem Kopf ist dieser Puppenmann entsprungen? fragt der Joker. Er fragt und fragt – bis er eines Tages die Antwort findet.“
Es war, als erwachten die Zwerge aus einem langen Schlaf. Herz Zwei und Herz Drei holten Besen und fegten den Boden. Die vier Könige bildeten einen Kreis und legten einander die Arme um die Schultern. Sie sprachen leise miteinander, dann drehte sich der Herz König zum Joker um und sagte: „In tiefer Trauer sind die Könige hier im Dorf zu dem Schluß gekommen, daß der kleine Narr die Wahrheit sagt.“
„Und was ist daran so traurig, daß er sie sagt?“ fragte der Joker. Er lag noch immer auf dem Tisch.
Diesmal ergriff der Karo König das Wort: „Es ist sehr traurig, daß der Joker uns die Wahrheit erzählt hat“, sagte er. „Denn das bedeutet, daß der Meister sterben muß.“
„Und warum muß der Meister sterben?“ fragte der Joker. „Man muß immer eine Regel nennen können, bevor man sticht.“
Der Karo König antwortete ihm: „Solange Frode hier im Dorf umhergeht, wird er uns daran erinnern, daß wir künstliche Wesen sind – deshalb muß er durch das Schwert der Buben sterben.“
Nun stieg der Joker vom Tisch. Er blickte zuerst zu Frode, dann wandte er sich wieder an die Könige: „Es ist nicht gut, wenn Werk und Meister zu eng beieinander leben. Die Gefahr ist groß, daß sie einander auf die Nerven fallen. Aber wir können Frode auch nicht vorwerfen, daß er eine so lebhafte Phantasie hat. Er kann nichts dafür, wenn seine Phantasien sich am Ende selbständig machen.“
Der Kreuz König rückte seine kleine Krone gerade und
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