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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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eigentlich, was wir so an Gedanken und Ideen an Bord haben. Aber die tiefsten Ideen kommen scheinbar zum Vorschein, wenn wir schlafen.«
    »Zumindest wenn wir vorher nicht zuviel aufgetankt haben«, sagte ich.
    Ausnahmsweise lächelte er nur breit, anstatt mit einem noch klügeren Spruch zu kontern. Ungewöhnlich war auch, daß er keine Morgenzigarette rauchte, ehe wir zum Frühstück gingen.
    Im Hotel »Titania« frühstückte man nach Wahl: Im Zimmerpreis inbegriffen war billiger Müll; aber es gab auch ein riesiges Buffet, an dem man sich den Teller mit Leckerbissen beladen konnte, wenn man nur reich genug war, um sie zu bezahlen.
    Mein Vater war nie ein großer Esser, aber an dem Tag verlangte ihn nach Saft und Joghurt, Eiern und Tomaten, Schinken und Spargel. Als ich es sah, langte ich genauso zu.
    »Was du über meine Pichelei gesagt hast, war richtig«, sagte er, während er sein Ei köpfte. »Ich hatte fast vergessen, daß die Welt so klar ist.«
    »Aber du hörst deshalb nicht mit dem Philosophieren auf?« fragte ich.
    Ich hatte immer schon ein bißchen Angst gehabt, seine philosophischen Gedanken könnten direkt mit der Zufuhr geistiger Getränke zusammenhängen – und daß er zu einem stinknormalen Menschen würde, wenn er damit aufhörte.
    Er musterte mich verblüfft und sagte: »Nein, wie kommst du denn darauf? Jetzt werde ich erst zum gefährlichen Philosophen.«
    Ich atmete erleichtert auf.
    »Weißt du, warum die meisten Leute auf der Welt herumtrotten, ohne sich über alles zu wundern, was sie sehen?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Weil ihnen die Welt zur Gewohnheit wird!« Er streute sich Salz aufs Ei und fuhr fort: »Wir alle brauchen viele, viele Jahre, um uns an die Welt zu gewöhnen. Das kann man bei kleinen Kindern leicht beobachten: Alles, was sie sehen, beeindruckt sie so sehr, daß sie ihren Augen nicht trauen. Deshalb zeigen sie in alle Himmelsrichtungen und fragen nach allem, was sie entdecken. Bei uns Erwachsenen ist das anders: Wir haben alles schon so oft gesehen, daß wir am Ende die ganze Wirklichkeit für selbstverständlich halten.«
    Wir saßen noch lange bei Käse und Schinken, aber wir redeten nicht mehr. Erst als unsere Teller leer waren, fragte Vater: »Sollen wir uns gegenseitig eins versprechen, Hans-Thomas?«
    »Kommt drauf an«, sagte ich.
    »Wir versprechen uns gegenseitig, daß wir diesen Planeten erst verlassen werden, wenn wir mehr darüber herausgefunden haben, wer wir sind und woher wir kommen.«
    »Abgemacht«, sagte ich und gab ihm über dem Tisch die Hand.
    »Aber erst müssen wir Mama finden«, fügte ich hinzu. »Ohne sie schaffen wir das nicht.«

HERZ



HERZ AS
    ... ich drehte sie um, und es war – Herz As...
    Vater wirkte ziemlich nervös, als wir uns ins Auto setzten, um nach Piräus zu fahren. Ich war mir nicht sicher, ob wegen Piräus oder weil er gegen Mittag diesen Agenten anrufen sollte, der vielleicht wußte, wo Mama zu finden war.
    Nachdem wir mitten in der Stadt das Auto abgestellt hatten, fragten wir uns zum internationalen Hafen durch.
    »Hier war es, wo wir vor siebzehn Jahren lagen«, sagte Vater und zeigte auf ein russisches Handelsschiff. Er erklärte mir wieder einmal, daß das Leben aus sich schließenden Kreisen besteht, aber das wollte ich jetzt nicht hören.
    »Wann sollst du ihn noch mal anrufen?« fragte ich.
    »Nach drei.«
    Wir schauten beide auf die Uhr; es war erst halb eins.
    »Das Schicksal ist ein Blumenkohl, der wächst an allen Seiten gleich«, sagte ich.
    Mein Vater machte eine gereizte Handbewegung. »Laß den Quatsch, Hans-Thomas!«
    Er war sogar sehr nervös.
    »Ich habe Hunger«, sagte ich.
    Das war zwar nicht wahr, aber etwas anderes fiel mir zu Blumenkohl nicht ein. Wir gingen zum Mittagessen in den berühmten Mikrolimanohafen.
    Unterwegs kamen wir an einem Schiff vorbei, das zu einer Insel namens Santorin unterwegs war. Vater erzählte, sie sei einmal viel größer gewesen als heute; das meiste von ihr sei bei einem gewaltigen Vulkanausbruch im Meer versunken.
    Wir aßen Moussaka, und Vater machte ein paar Bemerkungen über die Fischer, die gleich vor dem Restaurant ihre Netze flickten. Sonst sprachen wir nicht viel. Dafür sah jeder mindestens drei-, viermal auf die Uhr. Wir versuchten es beide möglichst unauffällig zu machen, aber es gelang uns beiden nicht sehr gut. Schließlich sagte Vater, jetzt sei es soweit. Es war Viertel vor drei. Bevor er ging, bestellte er mir eine große Portion Eis, aber noch

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