Das Karussell der Spitzbuben
besitzt eine kleine Wohnung in der Nähe vom Hyde Park. Zwei Zimmer im zweiten Stock.“
„Waren Sie schon dort, nachdem Sie den Brief erhalten haben?“
Miß Wilson schüttelte heftig den Kopf.
„Und warum nicht? Fürchteten Sie sich?“
„Ja, Mister Scott!“
Marc Scott ignorierte ihre Hilflosigkeit. Ungerührt bohrte er weiter: „Und warum und wovor fürchteten Sie sich?“
„Ein unbestimmtes Gefühl der Unsicherheit hielt mich davon ab.“
„Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?“
„Ich sagte es doch eben. Ich war unsicher. Ich wollte auch in nichts hineingezogen werden.“
Scotts Finger fuhr ihr entgegen. Seine volle, sonore Stimme klang aggressiv: „Aber Ihre Unsicherheit hielt Sie nicht davon ab, das Landhaus aufzusuchen.“
Bonnie Wilson starrte gleichermaßen erschrocken und fassungslos auf den Detektiv. „Woher wissen Sie das?“ flüsterte sie.
„Ich wußte es nicht, ich vermutete es nur. Allerdings weiß ich jetzt, daß ich richtig vermutete.“
„Und nun glauben Sie, daß ich einzig und allein des Schlüssels wegen das Landhaus aufgesucht habe?“ Diesmal schwang auch in ihrer Stimme Aggressivität mit.
„Gab es noch einen anderen Grund?“
„Allerdings! Ich hoffte Unterlagen über Henrys Angehörige…“
„Howards!!“ verbesserte Scott freundlich.
„Bitte??“
„Er hieß in Wirklichkeit Howard, wie er in diesem Brief zugibt.“
„...über seine Angehörigen zu finden. Entschuldigung, aber es ist nicht leicht, von einem Tag zum anderen den Namen auszuwechseln.“
„Ich kombiniere, daß Sie weder das eine noch das andere gefunden haben.“
Sie nickte. „Ich war vorgestern und gestern dort. Und ich habe das Haus auf den Kopf gestellt. Kein Schlüssel und nichts Schriftliches.“
„Es besteht die Möglichkeit, daß Ihnen die anderen zuvorgekommen sind!“
Bonnie Wilson war zusammengezuckt. Man sah ihr an, wie diese Möglichkeit sie frösteln ließ. Der Detektiv fuhr fort: „Wenn Ihr Freund Townsend in diesem Brief nicht gelogen hat, so ist in dem Landhaus etwas versteckt. Etwas, hinter dem auch die anderen her sein können. Nachdem sie mit der Beschattung Ihres Freundes allein nicht zum Zuge kamen, bemächtigten sie sich seiner und zwangen ihn zur Preisgabe des Verstecks.“ Scott hob die Hand und schwächte seine Vermutung selbst ab. „Muß nicht sein, liegt jedoch im Bereich des Möglichen!“
Bonnie Wilson hatte sich inzwischen wieder gefangen. „Ich glaube nicht, daß Sie recht haben. Das Haus zeigte keinerlei Spuren von Gewalt. Keine Fenster kaputt, beide Türschlösser befanden sich in unversehrtem Zustand. Auch im Inneren gab es keinen Hinweis auf ungebetene Besucher.“
„Wann waren Sie das letzte Mal gemeinsam mit Ihrem Freund dort?“
Miß Wilson mußte nachdenken. „Das war im Sommer. Vom 11. bis zum 16. Juli. Im Sommer sind wir oft hingefahren.“ Sie schluckte einen Kloß hinunter, wischte sich eine Träne weg und sagte leise: „Zu Weihnachten wollten wir heiraten.“
Marc Scott hielt den Kopf etwas schief, als er argwöhnte: „Ich bin überzeugt, daß die Leute, die an Ihrem Freund interessiert waren, auch hinter Ihnen her sind. Und ich neige immer mehr zu der Annahme, daß es ein großer Fehler war, nicht unverzüglich die Polizei einzuschalten, Miß Wilson.“
Das Unbehagen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie fragte: „Aber... aber was sollten sie von mir wollen?“
„Dasselbe, was sie auch bei Townsend suchten.“
„Townsend, wie das klingt...“
„Hatte er einen Paß auf den Namen Thompson?“
„Aber ja. Und mit diesem Paß waren wir in Frankreich, in Spanien und auch in Deutschland.“
„Und es war ein kanadischer Paß?“
Sie nickte, und Scott wunderte sich: „Man sagt, daß sich die Franzosen die Pässe der mit der Fähre kommenden Nicht-Engländer und Nicht-Franzosen besonders gut anschauen. Gab es nie Schwierigkeiten?“
„Nein, nie. Also müßte der Paß doch in Ordnung gewesen sein.“
Marc Scott lächelte nachsichtig, als er erklärte: „Ein guter Paß ist nur eine Frage des Preises. Was tun Sie beruflich, Miß Wilson?“
„Ich arbeite bei Lloyd. Diese Woche habe ich mir freigenommen.“
„Als Sie im Landhaus waren und nach dem Schlüssel suchten, haben Sie da an Townsends Brief gedacht?“
„Sie spielen auf die erwähnte Ankunftszeremonie an.“
„Ja, er schreibt doch etwas von Feierlichkeiten.“
„Ach Gott, Feierlichkeiten…“ Bonnie Wilson lehnte sich zurück und schilderte
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