Das Karussell der Spitzbuben
Vergangenes: „Wenn wir am Abend ankamen, haben wir Feuer im Kamin gemacht und sämtliche Kerzen im Salon angezündet. Dann tranken wir eine mitgebrachte Flasche Champagner und hörten uns eine Schallplatte an. War das Wetter gut, gingen wir um Mitternacht in den Fluß schwimmen und anschließend schlafen.“
„Ein reichhaltiges Programm“, schmunzelte der Detektiv.
„Der erste Abend war immer der schönste. Trotz Staub und Staubwischenmüssen.“
„Steht das Haus einsam?“ wollte Scott wissen.
„Es gibt in der Umgebung noch ein paar einzelne Landhäuser. Zum nächsten Ort allerdings sind es gute anderthalb Meilen.“
„Was haben Sie morgen vor, Miß Wilson?“
Die Frage verblüffte Bonnie Wilson so sehr, daß sie ins Stottern geriet: „Wa... wa... was ich morgen vorhabe? Wie meinen Sie das?“
„Du lieber Himmel, wie werde ich das schon meinen“, erwiderte Marc Scott mit flehendem Blick zur Decke. „Sie sind doch zu mir gekommen, um mich zu bitten, Sie bei der Suche nach dem geheimnisvollen Schlüssel und eventuellen Papieren zu unterstützen. Oder irre ich da?“
„Nein, nein, Sie irren nicht.“ Bonnie Wilson versuchte ihre Verlegenheit zu überspielen: „Ich habe nichts Bestimmtes vor.“
Scott nickte. „Na also. Dann fahren wir morgen früh noch einmal zu dem Landhaus. Wo liegt das eigentlich?“
„In der Grafschaft Dorset. Der Ort heißt Balham. Man kann es in zweieinhalb Stunden schaffen.“
„Fein. Sie schreiben mir jetzt Ihre Adresse auf, und ich hole Sie morgen gegen neun Uhr ab. Paßt Ihnen diese Zeit?“
„Aber ja, Mister Scott!“ beeilte sich Bonnie Wilson zu versichern.
17 Uhr 10.
Die Besucherin hatte sich vor genau sechzig Sekunden verabschiedet. Ihre letzten Worte waren gewesen: „Ich müßte mir eigentlich ziemlich roh und herzlos vorkommen, daß ich hier sitze und rede und keinerlei Trauer zeige. Aber das liegt wohl daran, daß ich nicht glaube, daß Henry tot ist. Glauben Sie, daß das sein kann?“ Sie wollte sich einfach nicht mit dem Namen Howard anfreunden.
Scott gab zur Antwort: „Auch auf diese Frage werden wir morgen, wenn wir Glück haben, eine Auskunft erhalten.“ Er konnte natürlich nicht ahnen, auf welche Art und Weise er recht behalten sollte...
Jetzt lag er, lang ausgestreckt, das Telefon auf dem mageren Bauch balancierend, auf seiner leicht nach vorn kippenden Couch und wählte.
Und er verzog vergrämt das Gesicht, als er die hektische Stimme in sein Ohr bellen hörte: „Hier Scotland Yard, bitte, welche Abteilung wünschen Sie?“
„Verbinden Sie mich bitte mit Detektivinspektor Cliff Mitchell.“
Und während er auf die gewünschte Verbindung wartete, wuchs in ihm die Überzeugung, daß es angesichts der bevorstehenden Reise reine Kraftvergeudung wäre, die Sachen von jenseits der Couch noch heute wieder hervorzuholen. Er fand weiterhin, daß es sich trotz Neigung um einige Grad ganz passabel liegen ließ.
„Hier Mitchell!“
Zwischenfall in Brokersfield
Es war 9 Uhr 45, und sie hatten gerade Moosham passiert. Marc Scott wandte sich zur Seite, seine Stimme sollte aufmunternd klingen: „Warum plötzlich so schweigsam?“
„Ich dachte, daß es Sie stört, wenn man viel redet.“
„Wenn mich etwas stört, dann höchstens das, daß Sie so viel Energie darauf verwenden, von anderen Dingen zu reden.“
„Was möchten Sie denn hören, Mister Scott?“
Der Detektiv grinste breit. „Erzählen Sie mir, wie Sie ihn kennengelernt haben. Ist es zum Beispiel möglich, daß er Ihre Bekanntschaft gesucht hat? Versuchen Sie sich zu erinnern, was er Ihnen über sein früheres Leben erzählt hat. Erwähnte er Namen von Freunden? Was hatte er für Schwächen, was zeichnete ihn aus? Hat er Sie je um Geld gebeten, wenn ja, wofür? Veranlaßte er Sie zu Besorgungen, deren Sinn Ihnen... nun, sagen wir mal, deren Sinn Ihnen fremd blieb?“
Bonnie Wilson wandte ihre Blicke nicht von der Straße, als sie sagte: „Das sind eine Menge Fragen.“
„Versuchen Sie in aller Ruhe eine nach der anderen zu beantworten.“
„Begonnen hat alles mit einer Autopanne. Ich war zusammen mit Mabel March, das ist eine Arbeitskollegin, auf der Rückfahrt von Wimbledon, als uns ein Stück Flasche den rechten vorderen Reifen zerfetzte. Glücklicherweise fuhr ich nicht sehr schnell. Unglücklicherweise wies dagegen der Ersatzreifen kaum noch Luft auf. Da standen wir nun und hielten Ausschau nach einem Helfer. Und da kam Henry... oder, wie er wirklich heißt: Howard.
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